Mehr Zusatzbeiträge - weniger Kassen Gesundheitsreform kommt
29.12.2010, 12:09 Uhr
(Foto: dpa)
Mit der umstrittenen Gesundheitsreform tritt das zentrale Gesetz der Koalition für die Krankenversicherung in Kraft. Es verhindert ein Milliardendefizit der Kassen. Trotzdem müssen Millionen Versicherte Zusatzbeiträge zahlen. Viele Kassen stehen unter Druck.
Im neuen Jahr müssen möglicherweise mehr gesetzlich Versicherte als bisher Zusatzbeiträge zahlen, obwohl die Gesundheitsreform den Kassen zusätzliche Milliarden-Einnahmen bringt. Das geht aus Angaben des Bundesversicherungsamts (BVA) hervor. Die Zahl der Kassen sinkt auch nach dem Inkrafttreten der Reform am 1. Januar laut BVA weiter. In der Koalition wird erwartet, dass die Versicherungen bald stärker auf die Kostenbremse drücken. Die Versicherungen fordern mehr Wettbewerb. Für das Gros der Privatpatienten steigen die Beiträge noch stärker.
Als "relativ stabil" bezeichnete BVA-Präsident Maximilian Gaßner die Finanzentwicklung der gesetzlichen Kassen 2011. Der Beitragssatzanstieg von 14,9 auf 15,5 Prozent, Einsparungen sowie Steuergeld gleichen ein Neun-Milliarden-Euro-Defizit der Kassen aus. Dennoch müssen bereits im kommenden Jahr wohl mehr Kassenmitglieder Zusatzbeiträge zahlen. Die 13 bundesweiten Kassen mit Zusatzbeitrag verlangen bis auf eine wohl alle den Aufschlag weiter, wie Gaßner in Berlin sagte.

Bittere Pille für Millionen Arbeitnehmer: Die Krankenkassen-Beiträge steigen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die eine oder andere müsse ihn eventuell leicht anheben. "Es werden auch noch vereinzelt welche dazukommen." Auch bei den Kassen, die nicht deutschlandweit ihre Dienste anbieten, müsse die eine oder andere den Aufschlag voraussichtlich erheben, sagte Gaßner. Denn die Ausgaben der Kassen würden mit den 178,9 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds 2011 nur im Durchschnitt gedeckt. "Einzelne Kassen können mit ihren Ausgaben darüber liegen."
Keine Obergrenze für Zusatzbeitrag
Die Obergrenze beim Zusatzbeitrag von einem Prozent des Einkommens entfällt mit der Reform im Grundsatz. Allerdings bekommen Versicherte künftig Geld zurück, wenn der durchschnittlich von allen Kassen gebrauchte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds übersteigt. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) rechnet damit, dass 2013 mehrere Kassen diese Beiträge neu erheben müssen.
"Wir werden das exakt beobachten", sagte Singhammer. Er spielte damit auf mangelnde Zahlungsbereitschaft vieler Betroffener an. "Es fehlt noch die Feuerprobe in der Breite", sagte Gaßner. "Die Akzeptanzprobleme bei den 13 Kassen, die jetzt Zusatzbeiträge erheben, waren anfangs enorm", erläuterte der Amtschef. "Es gibt Kassen mit fünf Prozent Nichtzahlern und andere mit einem höheren Anteil." Mit Aufschlägen bei immer mehr Kassen pendele sich das stärker ein.
Kassenschwund hält an
Die Zahl der Kassen ist unterdessen auf ein neues Rekordtief gesunken - und vermindert sich weiter. "Wir werden Anfang 2011 noch circa 150 Kassen haben", sagte Gaßner. Zum Start des Gesundheitsfonds 2009 waren es rund 200. "Und es stehen noch weitere Fusionen an. Ende 2011 werden wir unter 150 Kassen kommen", sagte Gaßner. Bereits heute deckten 32 Kassen rund 90 Prozent des Marktes ab.
Für viele der knapp 9 Millionen Privatversicherten fällt das Beitragsplus höher aus als für die rund 50 Millionen zahlenden Kassenpatienten. Im Schnitt sind es laut der Analysefirma Morgen.&.Morgen sieben Prozent, bei einzelnen Tarifen sogar bis zu 34 Prozent, berichtete "Die Welt". Privatversicherer verlangen seit langem Möglichkeiten, abseits der amtlichen Gebührenordnung in Verhandlungen mit den Ärzten die Kosten drücken zu können. Von Singhammer werden sie darin unterstützt.
Zusatzbeitrag bringt Bewegung
Für die gesetzlichen Kassen forderte die Vorsitzende ihres Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, mehr Spielraum. "An der Gesundheitsreform vermissen wir mehr Möglichkeiten für die Kassen zum Wettbewerb", sagte sie. "Es stünde einem FDP-Minister gut zu Gesicht, die Diskussion über mehr Wettbewerb nicht nur auf Wahltarife bei den Kassen zu beschränken", sagte sie mit Blick auf Gesundheitsminister Philipp Rösler. Die Krankenhäuser seien eine der letzten wettbewerbsfreien Zonen in Deutschland. "Nötig sind mehr Einzelverträge mit Kliniken und Ärzten."
Mit den Zusatzbeiträgen komme weiter Bewegung in den Preiswettbewerb der Kassen, sagte Gaßner voraus. "Er verschärft sich." Singhammer sagte: "Die Kassen werden viel unternehmen, um ihre Ausgaben zu drücken und zu einer ausgeglichenen Bilanz zu kommen."
Quelle: ntv.de, dpa