Mit Glück und Spucke Gesundheitsreform zu schaffen
08.01.2007, 19:25 UhrIm Streit über die Gesundheitsreform beharrt Bayern trotz zuletzt moderaterer Töne nach wie vor auf teils deutlichen Nachbesserungen. "Ich bin optimistisch, dass wir ein In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform erreichen", sagte Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) am Montag in München. Er nannte aber Änderungswünsche unter anderem im Bereich der privaten Krankenversicherungen (PKV). Die Gesundheitsexperten von Union und SPD zeigten sich vor einem Treffen mit Ministerin Ulla Schmidt (SPD) in Berlin weiter uneins über die Zugangsmöglichkeiten zum geplanten PKV-Basistarif. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntagabend im ZDF gesagt, sie sei überzeugt, "dass die Gesundheitsreform kommen wird" und am 1. April in Kraft tritt.
Laut Gesetzentwurf muss der Basistarif ehemals Privatversicherten angeboten werden, die ihren Versicherungsschutz verloren haben und die auch nicht Mitglied einer gesetzlichen Kasse sind oder werden können. Auch freiwillig gesetzlich Versicherte sollen in den Basistarif wechseln dürfen. Zudem sollen Privatversicherte von anderen Tarifen auf den neuen Basistarif umsteigen können. Vor allem die CSU warnt vor einem Aus für die private Krankenversicherung.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) erneuerte vor dem Treffen die Forderung, den Zugang zu dem Tarif weiter einzuschränken. Wenn auch alle Privatversicherten in den Tarif wechseln könnten, sei die PKV "nicht mehr überlebensfähig", sagte Zöller. Die entsprechende Formulierung im Gesetzentwurf sei "so nicht okay, weil da natürlich Missbrauch betrieben werden kann". Die koalitionsintern vereinbarten Eckpunkte müssten "sinngemäß sauber" umgesetzt werden. Stoiber sagte, Schmidt dürfe nicht über die beschlossenen Eckpunkte hinausgehen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Elke Ferner lehnte die Forderung ab. Sie sehe "keinen Änderungsbedarf", da darüber bereits ein Konsens erreicht worden sei. Die Frage sei, ob die Union bereit sei, "den Basistarif so zu akzeptieren, wie er bereits im Gesetzentwurf steht". Dieser Entwurf sei von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen beschlossen worden, also auch unter Beteiligung der CSU. Die Union brauche nur "bei dem zu bleiben, was wir schon x-mal rauf und runter diskutiert und vereinbart haben, auch unter Beteiligung von Herrn Stoiber", sagte Ferner. Eine weitere Verschiebung der Einführung des Basistarifs auf 2009 komme nicht in Frage. SPD-Chef Kurt Beck hatte am Sonntag im ZDF gesagt: "Wir stehen zu den gefundenen Kompromissen und von der Union erwarte ich das Gleiche."
Stoiber forderte zudem eine "praktikable Regelung", um sicherzustellen, dass die Mehrbelastungen für die gesetzlichen Kassen Bayerns nicht mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr betragen. Weder in der gesetzlichen noch in der privaten Krankenversicherung dürfe es zu hohe Beitragssteigerungen geben, sagte er. Bei den Rettungsdiensten forderte Stoiber eine Rücknahme der geplanten Kürzung der Vergütung um drei Prozent. Zudem müsse der Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser "so gestaltet werden, dass die flächendeckende Krankenhausversorgung erhalten bleibt", sagte der CSU-Chef. CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte der "Passauer Neuen Presse", der Zeitplan für die Reform sei "mit etwas Glück und Spucke zu schaffen".
FDP verweigert sich
Nordrhein-Westfalen wird nach Angaben der mitregierenden FDP der Gesundheitsreform in der bisherigen Fassung nicht zustimmen. Was die Bundesregierung bislang vorgelegt habe, sei nicht zustimmungsfähig, sagte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart. Das sei die "klare, gemeinsame Haltung" von FDP und CDU in NRW.
Baden-Württemberg will sein Stimmverhalten nach Angaben von Staatsminister Willi Stächele (CDU) nicht von der Entscheidung über das Milliarden-Bahn-Projekt Stuttgart 21 abhängig machen. Zuvor hatten entsprechende Äußerungen des Generalsekretärs der Südwest-CDU, Thomas Strobl, für Unruhe gesorgt.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hatte am Sonntagabend in der ARD die Zustimmung seines Landes zur Reform angekündigt. "Ich halte den Kompromiss für zustimmungsfähig. Ich glaube, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen."
Änderungs-Treffen bei Schmidt
Am späten Montagabend hieß es aus Teilnehmerkreisen des Treffens von Union, SPD und Ministerin Schmidt über mögliche Änderungen an der Gesundheitsreform, auch nach sieben Stunden sei kein Ende absehbar.
Verhandelt wurde unter anderem über die Zugangsmodalitäten zum Basistarif der privaten Krankenversicherungen. Für Dienstag und Mittwoch waren weitere Verhandlungen der Expertenrunde vorgesehen.
Quelle: ntv.de