US-Bürger und Demonstranten sterben Gewaltwelle überrollt Ägypten
29.06.2013, 02:44 Uhr
Gegner des ägyptischen Präsidenten Mursi greifen das Hauptquartier der Muslimbrüder in Alexandria an.
(Foto: AP)
Ägypten war einst eine Keimzelle des Arabischen Frühlings. Nun finden sich Tausende Gegner von Präsident Mursi zusammen, Gewalt flammt auf. Ein US-Bürger stirbt nach einem Stich in den Brustkorb, auch mehrere Einheimische kommen ums Leben. Am Sonntag werden Millionen Menschen auf den Straßen erwartet.
Bei Protesten Tausender Ägypter gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi ist es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. In der Hafenstadt Alexandria gingen Anhänger und Gegner der regierenden Islamisten aufeinander los. Dabei kam ein US-Bürger ums Leben. Zudem sollen mehrere Ägypter getötet worden sein. Über Anzahl und Hergang gibt es widersprüchliche Angaben.

In Kairo versammelten sich Anhänger der Islamisten, um Präsident Mursi zu unterstützen.
(Foto: REUTERS)
Büros der Partei für Gerechtigkeit und Freiheit der Muslimbrüder, denen Mursi entstammt, brannten nieder. In der Stadt Port Said trafen Feuerwerkskörper einen Butangasbehälter, die Explosion tötete einen einheimischen Journalisten. Eine vorläufige Bilanz des Gesundheitsministeriums geht von 139 Verletzten aus, wie die Zeitung "Al Ahram" berichtete. Die USA warnten inzwischen vor Reisen nach Ägypten und erlaubten Mitarbeitern ihrer Botschaft, mit deren Familien das Land zu verlassen.
Bei dem amerikanischen Todesopfer soll es sich um einen 21-Jährigen handeln. Er hatte eine Kamera bei sich und versuchte offenbar, die Proteste zu fotografieren. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurde er in Alexandria von einem zunächst nicht identifizierten Mann mit einem großen Messer in die Brust gestochen, als er die Kamera auf Demonstranten richtete.
Bei einer Massenschlägerei im Stadtteil Sidi Gaber von Alexandria soll es ebenfalls ein Todesopfer gegeben haben. Die Kontrahenten gingen mit Steinen und Stöcken aufeinander los. Die Protestbewegung will ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Mohammed Mursi seinen Rücktritt erzwingen. Die islamistische Führung des Landes lehnt Neuwahlen ab.
Auch Mursi-Unterstützer demonstrieren
Ihre Proteste waren ein Vorgeschmack auf die für Sonntag geplanten Großkundgebungen der Opposition. Sie sollen anderem auf dem Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo, dem Zentrum der Revolution von 2011, und vor Mursis Präsidentenpalast stattfinden. Eine Protestbewegung will am Sonntag, dem Jahrestag seiner Vereidigung, mehr als 20 Millionen Unterschriften von Bürgern übergeben, die seine Absetzung und Neuwahlen fordern. Mursi, der 2012 bei der ersten freien Präsidentschaftswahl mit knapper Mehrheit gewählt worden war, ist seit einem Jahr im Amt.
Die oppositionellen Demonstranten, die in Kairo, Al-Mahalla und Alexandria durch die Straßen marschierten, waren jedoch nicht die einzigen, die trotz des heißen Wetters mit Plakaten um die Unterstützung der Bürger warben. Tausende von Anhängern der islamistischen Parteien hielten im Kairoer Vorort Nasr-City eine Kundgebung unter dem Motto "Die Legitimität ist die rote Linie" ab.
Vor der Rabea al-Adawija Moschee in Kairo versammelten sich am Abend etwa 20.000 Menschen. Mehrere Redner warfen der Protestbewegung vor, sie werde "aus dem Ausland unterstützt, von Staaten, die nichts Gutes für Ägypten wollen". Sie betonten, Mursi werde nicht vor Ende seiner vierjährigen Amtszeit zurücktreten. Auch auf dem Tahrir-Platz, wo sich die Gegner der Islamisten versammelten, wurde es am Abend voll.
Amnesty beklagt Folter und Misshandlungen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Vereinigung Reporter ohne Grenzen stellen Mursi ein schlechtes Zeugnis aus. Alexia Knappmann von Amnesty erklärte: "In einigen Bereichen hat sich die Menschenrechtslage im ersten Amtsjahr von Mohammed Mursi sogar verschlechtert." Folter und Misshandlung von Festgenommenen seien weiter an der Tagesordnung. Die Schuldigen gingen straffrei aus.
Die Journalistenvereinigung sprach von einem "verloren Jahr für die Pressefreiheit in Ägypten". Die neue Verfassung schütze Journalisten nicht ausreichend vor Diffamierung und Angriffen. Mursi und seine Anhänger heizten selbst die Stimmung gegen Medienschaffende aktiv an.
Das Nachrichtenportal "youm7" meldete unter Berufung auf das Gesundheitsministerium, seit Mittwoch seien vier Menschen bei gewaltsamen Ausschreitungen zwischen den politischen Gruppen getötet worden. Zudem wurde bekannt, dass die Regierung Zwangsmaßnahmen gegen regierungskritische Fernsehsender ergriffen hat. Gegen den Besitzer des Senders CBC, Mohammed al-Amin, wurde wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung ein Reiseverbot verhängt.
Quelle: ntv.de, jtw/dpa/rts/AFP