Deutschland isoliert Gipfel ohne Merkel
05.12.2008, 16:08 UhrAm Donnerstag und Freitag kommender Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU, um europäische Konjunkturmaßnahmen und ein Klimapaket zu beschließen. In Vorbereitung dieses Brüsseler Gipfels treffen sich schon am Montag in London der britische Premier Gordon Brown, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso. Führende Wirtschaftsvertreter sollen ebenfalls dabei sein - Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht eingeladen.
Die Bundesregierung versucht, diesen Affront gegen ihre Konjunkturpolitik herunterzuspielen. "Das Treffen ist nicht gegen die Bundeskanzlerin gerichtet", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. "Die Kanzlerin ist natürlich nicht isoliert, Deutschland ist nicht isoliert."
"Ohne uns geht nichts"
Steg sagte aber auch: "Wer auch immer sich in Europa trifft im Vorfeld des Europäischen Rates, tut das in dem festen Bewusstsein, dass am Ende ohne Deutschland nichts beschlossen werden kann; dass in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik ohne Deutschland nichts geht." Eine Reihe von EU-Ländern, darunter Frankreich und Großbritannien, werfen Deutschland als wichtiger europäischer Wirtschaftsmacht vor, bisher zu wenig gegen die Rezession zu tun.
Auch nach Vorlage des französischen 26-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket sieht die Bundesregierung sich weiter als Vorreiter bei der Bekämpfung der Wirtschaftsflaute. "Wir liegen nicht nur im Trend, sondern wir haben Trends gesetzt", sagte Steg. Die Ausgaben von 31 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010 seien der deutsche Beitrag zum europäischen Gesamtpaket in Höhe von 200 Milliarden Euro. Absolut betrachtet gebe es kein Land, das annähernd diese Größenordnung erreiche.
Schön gerechnet
Allerdings gehören zum 31-Milliarden-Paket der Bundesregierung auch Entlastungen, die auch ohne die Konjunkturkrise beschlossen worden wären - etwa mehr Kindergeld und ein höherer Kinderfreibetrag sowie niedrigere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Zieht man diese Maßnahmen ab, bleibt ein Volumen von 11 Milliarden Euro bis 2012 für den Bundeshaushalt. Dazu gehören der Kfz-Steuerbonus, Steuererleichterungen für Firmen bei Neuanschaffungen und bei privaten Handwerkerrechnungen.
Immerhin kann Merkel in Brüssel darauf verweisen, dass das Konjunkturpaket bereits von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Entgegen ihrer Drohungen im Vorfeld stimmten die Bundesländer am Freitag im Bundesrat dem steuerlichen Kern des Konjunkturpakets zu. "Wir können Vollzug melden und sagen: Es ist beschlossen", sagte Steg.
Kindergeld wird nachverhandelt
Allerdings müssen die geplanten Erhöhungen beim Kindergeld und dem Kinderfreibetrag noch im Vermittlungsausschuss nachverhandelt werden. Die Länder wollen durchsetzen, dass der Bund einen höheren Anteil an den Kosten übernimmt. Die Anhebung des Kindergelds um 10 Euro für das erste und zweite Kind sowie um 16 Euro für jedes weitere Kind von Anfang 2009 ist damit aber nicht gefährdet. Eine Einigung soll es vor Weihnachten geben. Die Länder verlangen vom Bund 700 Millionen Euro zusätzlich, um die Kindergeld-Erhöhung zu finanzieren.
Im Vermittlungsausschuss wird es auch darum gehen, ob das geplante Schulstart-Geld von 100 Euro für Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht nur bis zum 10., sondern bis zum 13. Schuljahr gezahlt wird.
Merkel bringt Ministerpräsidenten auf Linie
Die Ministerpräsidenten hatten sich erst kurz vor der Sitzung auf die Zustimmung zu dem Paket verständigt. Ursprünglich hatten die Länder die Kostenverteilung kritisiert und Korrekturen gefordert. Berichten zufolge hatte Merkel die CDU-Ministerpräsidenten bei einem Treffen am Freitagmorgen auf die Zustimmung zum Konjunkturpaket eingeschworen. Bayern scheiterte mit einem Antrag, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Wie schon Merkel am Donnerstag im Bundestag warnte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sich im Bundesrat gegen einen "Überbietungswettbewerb" um weitere Vorschläge zur Belebung der Konjunktur. Er kritisierte dabei insbesondere die Diskussion um die Ausgabe von Konsumgutscheinen. "Kein Bürger wird damit rechnen können, dass seine Kaufentscheidungen von Konsumgutscheinen unterstützt werden mit Blick auf das Weihnachtsfest", sagte der Minister.
Seehofer beißt sich fest
Trotz der Niederlage Bayerns im Bundesrat fordert Ministerpräsident Horst Seehofer weiter eine Entlastung der Bürger. Der CSU-Vorsitzende warnte Merkel davor, Steuersenkungen auf die Zeit nach der Bundestagswahl hinauszuzögern. Bei n-tv sagte er: "Ich glaube, wir müssen jetzt handeln. Ich rede täglich mit Arbeitnehmervertretern, mit Unternehmern, und denen steht das Wasser bis zum Hals. Wir werden sehr, sehr schwierige Wochen und Monate erleben, was die Arbeitsplätze betrifft, was Kurzarbeit betrifft." Seehofer fügte hinzu: "Wer uns und mich kennt, weiß, dass wir so lange für eine Sache, von der wir überzeugt sind, kämpfen, bis sie Wirklichkeit wird. Wir werden da nicht lockerlassen."
Quelle: ntv.de