Der "Stoiber-Stadl" "Goldene Brücke" errichtet
17.01.2007, 06:23 UhrNach der wochenlangen Führungskrise in der CSU hat Bayerns bedrängter Ministerpräsident Edmund Stoiber vor überstürzten Personalentscheidungen gewarnt. "Die aktuelle Stimmung darf nie zu langfristigen Entscheidungen führen", sagte der CSU-Vorsitzende am Mittwoch in Wildbad Kreuth. Der von vielen Parteifreunden zu einem raschen Rückzug gedrängte Stoiber äußerte sich zurückhaltend zur Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2008. "Die Frage, wie wir in die Landtagswahl 2008 gehen, ist offen."
Bei der Entscheidung spiele der Parteivorsitzende eine wichtige Rolle. "Ein Zeitlimit gibt es nicht", sagte Stoiber und machte klar, dass er sich keinen Fristen beugen will. "Ich bin fest überzeugt, dass die CSU gestärkt aus der Situation hervorgehen wird." Es gehe nicht um seine persönlichen Umfragewerte, sondern um die Situation der CSU, sagte Stoiber.
Goldene Brücke für Stoiber
Die CSU-Landtagsabgeordneten hatten Stoiber in der Nacht nach zehnstündiger Krisenaussprache das Vertrauen ausgesprochen, die Frage der Spitzenkandidatur jedoch bewusst offen gelassen. Mit der Fraktion habe er eine "sehr gute Übereinkunft" getroffen, sagte der CSU-Chef dazu. Stoiber betonte sein Lebenswerk: "Wer weiß, dass er keinen unmaßgeblichen Beitrag geleistet hat als Ministerpräsident und Parteivorsitzender, der weiß natürlich um seine Verantwortung weit über seine Zeit, über seine Lebenszeit hinaus."
Opposition feilt am Rücktritt
Die Opposition im Bayerischen Landtag hat für kommende Woche eine Sondersitzung des Parlaments gefordert und will dort einen Antrag auf einen Rücktritt Stoibers stellen. Die politischen Verhältnisse machten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich, schrieben die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Franz Maget und Margarete Bause, an Landtagspräsident Alois Glück (CSU). Sie beriefen sich am Mittwoch auf einen entsprechenden Artikel in der Bayerischen Verfassung, der den Rücktritt des Regierungschefs vorsieht, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landtag nicht möglich ist.
Reaktionen aus den Parteien
Die SPD reagierte mit demonstrativer Gelassenheit auf die vertagte Führungsentscheidung in der CSU. Die Sozialdemokraten hofften aber auf eine baldige Rückkehr zu stabilen Verhältnissen in der Koalition, erklärte der 1. Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, am Mittwoch in Berlin. Das Bündnis mit der Union sei nicht gefährdet. Die SPD beobachte jedoch mit Interesse die weiteren Vorgänge beim Koalitionspartner.
Nach Ansicht von Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat die CSU es versäumt, sich rechtzeitig zu modernisieren. "Dafür wird die Partei noch bezahlen", sagte er in Berlin voraus. Er habe vermutet, dass Stoiber die Turbulenzen aussitzen wolle. Abzuwarten bleibe, ob alle in der CSU "in den nächsten Wochen den Mund halten können".
Offene Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Koalition äußerten FDP und Grüne. Es gebe in Berlin keine handlungsfähige Regierung mehr, weil die CSU als Koalitionspartner über Monate ausfalle, zeigte sich FDP-Chef Guido Westerwelle überzeugt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse dafür sorgen, dass sich die Schwesterpartei rational und berechenbar verhalte. Die Wähler seien von der "Schlammschlacht" und dem "erbärmlichen Schauspiel des Stoiber-Stadls angeekelt", meinte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.
Nach den Worten von Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer kann Stoiber nur noch "als lebende Leiche weitermachen". Die "Königsmörder" säßen in Bayern weiter "in den Büschen". Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast müssen jetzt die Bürger mitentscheiden, wer Bayern voranbringen soll - "am besten mit Neuwahlen".
Im Band vergriffen
Ein versehentlich gesendeter politischer Nachruf Stoiber hat in der Nacht zum Mittwoch beim Bayerischen Fernsehen zu Anrufen irritierter Zuschauer geführt. Der am frühen Morgen in der Sendung "Rundschau extra" ausgestrahlte Beitrag erweckte den Eindruck, Stoiber sei bereits zurückgetreten. Ein übernächtigter Techniker habe sich da vergriffen, sagte ein BR-Sprecher auf Anfrage. Chefredakteur Sigmund Gottlieb: "In der Hektik der Live-Sendung ist ein falscher Beitrag gesendet worden. Das ist eine höchst bedauerliche Panne, die nicht zu entschuldigen ist".
Pauli-Treffen am Donnerstag
Am Donnerstagnachmittag will sich Stoiber mit seiner schärfsten innerparteilichen Kritikerin, Gabriele Pauli, treffen. Bei dem persönlichen Gespräch in der CSU-Landesleitung hofft der CSU-Chef auf eine Klärung der Probleme mit der Fürther Landrätin. Sie hatte die CSU-Führungskrise vor Weihnachten mit dem Vorwurf ins Rollen gebracht, ihr Privatleben werde von der Staatskanzlei ausgespäht. Pauli fordert seit langem, Stoiber solle bei der Landtagswahl 2008 nicht wieder als Spitzenkandidat der CSU antreten. Stoiber hatte sich zunächst geweigert, die fränkische Kommunalpolitikerin persönlich zu treffen.
Quelle: ntv.de