Haushaltsausschuss macht Weg frei Griechenland-Gesetz durch
05.05.2010, 18:42 UhrDie Verabschiedung des Griechenland-Gesetzes im Bundestag dürfte sicher sein. Mit den Stimmen der Regierungskoalition passiert der Entwurf für die Milliarden-Hilfe den Haushaltsausschuss. Bundeskanzlerin Merkel sieht Europa bei der Lösung der Griechenland-Krise am Scheideweg.

Die Kanzlerin und ihr Vize während der Bundestagsdebatte. Auf Druck von CDU und FDP wurde der Gesetzentwurf noch einmal verändert.
(Foto: REUTERS)
Die umstrittenen Kredithilfen für Griechenland haben eine wichtige Hürde genommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages billigte mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen den entsprechenden Gesetzentwurf. Damit gilt eine Verabschiedung der deutschen Kredithilfen von bis zu 22,4 Milliarden Euro im Bundestag an diesem Freitag als sicher. Am selben Tag soll auch der Bundesrat die Milliardenhilfen billigen.
Auf Druck von Union und FDP wurde der Gesetzentwurf aber noch einmal geändert. Dabei wurde klargestellt, dass die bilateralen Kredite der Euro-Gruppe sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) "im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens" gewährt werden sollen.
Mehrere Unions-Abgeordnete, darunter Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), hatten die ersten Gesetzespläne abgelehnt. Lammert hatte Bedenken geäußert, da in dem Gesetzentwurf jeglicher Bezug auf das zwischen EU, Europäischer Zentralbank, IWF und griechischer Regierung vereinbarte Sparprogramm fehle.
SPD und Grüne haben sich nach Teilnehmerangaben enthalten. Die Linke hat den Gesetzentwurf abgelehnt.
SPD will nicht zustimmen
Aller Voraussicht nach wird die SPD dem Rettungspaket im Bundestag nicht zustimmen. "Im Interesse der Währungsstabilität ist eine unmittelbare Hilfe zwar notwendig, eine reine Kreditermächtigung ohne grundlegende Konsequenzen ist mit uns aber nicht machbar", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil dem "Handelsblatt". Die Finanzwirtschaft müsse an dem Paket beteiligt werden, forderte Heil mit Blick auf die von seiner Partei geforderte Transaktionssteuer. Die SPD will am Donnerstag in einer Fraktionssitzung festlegen, wie sie am Freitag abstimmt.
Deutschland mit 22,4 Mrd Euro dabei
IWF und die Euro-Gruppe wollen bis Ende 2012 zusammen bis zu 110 Milliarden Euro an Notkrediten zahlen. Die Euro-Länder steuern in den drei Jahren 80 Milliarden Euro bei, der IWF rund 30 Milliarden. Auf Deutschland entfallen Kreditzusagen von 22,4 Milliarden Euro, davon 8,4 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das verzinste deutsche Darlehen stellt die Staatsbank KfW bereit, der Bund bürgt dafür. Griechenland muss im Gegenzug für die Kredithilfen 30 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren einsparen. Banken und Versicherungen haben nach einem Treffen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble freiwillige Hilfen zugesagt.
Das IWF-Programm und damit die schrittweise (Tranche für Tranche) Auszahlung der Hilfen unterliegen einer engen, vierteljährlichen Überprüfung der mit der griechischen Regierung vereinbarten Konditionen. Sollte Athen die Vorgaben für das Sparprogramm nicht erfüllen, werden dem Land - wie bei jedem IWF-Programm - keine weiteren Kredite des IWF und der Euro-Gruppe zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung hält einen Ausfall der Kredite und damit eine Inanspruchnahme der Bundesgarantie für unwahrscheinlich.
"Europa steht am Scheideweg"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung das Hilfsprogramm für Griechenland als entscheidend für Europa bezeichnet: "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft Europas." Dieses Gesetz sei "von enormer Tragweite für Deutschland und für Europa", betonte die Kanzlerin.
Merkel unterstrich, es müssten Konsequenzen aus den Vorgängen gezogen werden. "Europa steht am Scheideweg", sagte sie. Man müsse sich entscheiden, den Weg der Vergangenheit fortzusetzen, in der "nur zu oft Probleme nicht beim Namen genannt" und nicht konsequent angegangen worden seien, oder erkennen, dass Europa die Probleme "nur noch durch schonungslose Analyse und überzeugende Therapie beheben" könne. "So, aber auch nur so, kann es uns gelingen, den Kreislauf der sich immer höher auftürmenden Probleme zu überwinden", betonte die Bundeskanzlerin.
"Die Faust in der Tasche"
Außenminister Guido Westerwelle äußerte Verständnis für die Ressentiments in der deutschen Bevölkerung gegen die Finanzhilfen. "Jeder macht doch die Faust in der Tasche. Auch die Abgeordneten, die diese Bürgschaft beschließen, um Gefahr von unserem Land, von unserer Währung und auch von Europa abzuwenden", sagte er der "Neuen Westfälischen".
"Niemand hat sich das gewünscht"
Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle räumte "riesige Bauchschmerzen" wegen der Finanzhilfe ein. "Das hat sich niemand gewünscht. Unsere Hoffnung war, dass Griechenland ohne Hilfen aus der Krise kommt", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Nun seien "Hilfen nicht mehr vermeidbar". Als Konsequenz stellte Brüderle einen weitreichenden Forderungskatalog an die Adresse der Europäischen Union auf.
So müsse die Wirtschaftspolitik innerhalb der Währungsunion "viel stärker koordiniert werden". Außerdem verlangte der Minister Regeln für eine geordnete Insolvenz von Staaten im Euro-Raum.
Gauweiler für Ausschluss
Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gefordert. Athen habe sich die Aufnahme in die Eurozone "mit Hilfe internationaler Großkonzerne erschlichen", sagte Gauweiler dem Blatt. Es sei daher an der Zeit, einen Ausschuss einzusetzen, der untersuche, wann die Bankenaufsicht und die Bundesregierung von den "Täuschungsmanövern" erfahren haben". Zudem müsse geklärt werden, ob sich Banken mit Bundesbeteiligung, etwa das Institut Hypo Real Estate, an Spekulationen gegen Griechenland beteiligt hätten.
Als Ausweg aus der Krise forderte der Politiker, Athen müsse "für einige Jahre aus der Eurozone austreten, seine Schulden wertberichtigen und seine Währung abwerten". Später könne das Land "mit neuer Kraft" zurückkehren.
Athen will zurück an die Märkte
Griechenland kündigte unterdessen an, sich bereits im kommenden Jahr wieder über die Kapitalmärkte finanzieren zu wollen. "Die gesamte Idee des internationalen Finanzprogramms ist es, jemanden abzuschirmen, aber ihm so schnell wie möglich die Rückkehr an die Märkte zu erlauben - wir hoffen, dies im nächsten Jahr zu erreichen", sagte der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou der "Financial Times".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP