Politik

Trump fordert Öl, Land und mehrDie "größte Armada der Geschichte" vor Venezuela hieße in Konsequenz Krieg

20.12.2025, 12:06 Uhr rpeters_foto1x1Eine Analyse von Roland Peters, New York
00:00 / 10:47
A-U-S-Marine-Corps-CH-53E-Super-Stallion-taxis-after-landing-at-Mercedita-International-Airport-in-Ponce-amid-ongoing-military-movements-in-Puerto-Rico-December-18-2025
Ein Militärhubschrauber in Puerto Rico, einem US-Territorium. Seit November verlegt das Pentagon immer mehr Luftstreitkräfte auf die verschiedenen Basen der Insel. (Foto: REUTERS)

Mit Kanonaden an Schuldzuweisungen und Forderungen versucht "Friedenspräsident" Trump, einen möglichen Militäreinsatz oder sogar Krieg gegen Venezuelas Staatschef Maduro und dessen Verbündete zu begründen. Die Wähler sind skeptisch, Ölkonzerne winken ab.

Krieg für Öl, Krieg für Territorium, den könnte es um Venezuela geben. "Wir wollen es zurückhaben", sagte US-Präsident Donald Trump. Ein Krieg sei möglich. Es ist der zweite Versuch des US-Präsidenten, mindestens einen Fuß nach Venezuela zu setzen, dessen autokratische Regierung mit Kuba, China und Russland verbündet ist. Sein erster sah 2019 so aus: harte Sanktionen gegen Ölexporte. Die diplomatische Anerkennung eines Oppositionellen als Präsident. Eingefrorene Vermögenswerte in Milliardenhöhe. Kriegsschiffe vor der Küste. Es führte nicht zum gewünschten Ergebnis, der Regierungswechsel in Caracas blieb aus.

Nun, fast sieben Jahre später und in seiner zweiten Amtszeit, versucht Trump es mit noch mehr Härte. Das Pentagon hat die größte Marine-Streitmacht seit Jahrzehnten in der Karibik aufgefahren - inklusive Gerät für Anlandungen von Bodentruppen. Seit Monaten töten US-Militärs dort angebliche Drogenschmuggler in Schnellbooten und internationalen Gewässern. Einsatzkräfte beschlagnahmten in dieser Woche einen Öltanker samt Ladung, der aus Venezuela kam. Trump verkündete eine Seeblockade aller sanktionierten Schiffe. Sollten diese "so töricht sein, weiterzufahren, werden sie in einen unserer Häfen einlaufen", drohte er am Donnerstag.

Der Anspruch, in Venezuela im äußersten Fall mit militärischer Gewalt einen Regierungswechsel herbeizuführen, ist der offensichtlichste Fall der außenpolitischen Neuorientierung der Vereinigten Staaten. Washington will Caracas dem Einfluss konkurrierender Mächte, insbesondere Chinas, entziehen. So steht es zumindest in der neuen nationalen Sicherheitsstrategie, eine Trumpsche Auslegung der Monroe-Doktrin. Dieser Zweck rechtfertigt offenbar auch höchst umstrittene Mittel.

Worauf Trump in Venezuela primär aus ist? Experten vermuten, dass es ums Geld geht. Nicht darum, die Situation der Bevölkerung zu verbessern - rund 50 Prozent leben laut Human Rights Watch unter der Armutsgrenze - oder für deren demokratisches Selbstbestimmungsrecht zu streiten. "Es ist Erpressung, die in erster Linie aus Profitgründen betrieben wird", sagte ein Mitarbeiter der US-Regierung der Zeitschrift "The Atlantic" über den Druck auf Caracas.

Vorwärts in die Vergangenheit

Venezuela sei "umstellt von der größten Armada in der Geschichte Südamerikas", tönte Trump in dieser Woche. Ein "feindliches Regime" habe "unser Öl, Land und andere Werte" weggenommen und müsse "alles" an die Vereinigten Staaten zurückgeben. Sein Sicherheitsberater Stephen Miller nannte es den "größten bekannten Diebstahl aller Zeiten". Maduro reagierte öffentlich: "Es handelt sich ganz einfach um eine kriegerische und kolonialistische Absicht", sagte der Staatschef: "Die Wahrheit ist ans Licht gekommen".

Eine Schiffsladung Öl ist laut Analysten etwa 100 Millionen Dollar wert. Venezuela finanziert seinen Staatshaushalt und damit auch sein Militär fast komplett über Ölverkäufe - das Land besitzt eine der größten nachgewiesenen Reserven der Welt. Venezuela ist auch ein möglicher zukünftiger Lieferant für Seltene Erden, welche die USA dringend brauchen, um ihre Tech-Industrie unabhängiger von China zu machen.

Trump zerrt die US-Außenpolitik mit der wiederbelebten Monroe-Doktrin vorwärts in die Vergangenheit. Anfang des 19. Jahrhunderts besagte dieser Leitsatz: Die USA nehmen den Einfluss der europäischen Kolonialmächte in den Amerikas nicht mehr hin. Im Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts wurde die Prämisse angepasst; Washington duldete keine Verbündeten des Systemfeinds Russlands in der Region.

Um militärische und andere Einmischungen zu rechtfertigen, führten die USA einen befürchteten Dominoeffekt an. Die These: Wird ein Staat sozialistisch oder gar kommunistisch, würden weitere folgen. In Lateinamerika starben oder verschwanden mehr als 300.000 Menschen in diesen Jahrzehnten als Folge der Bemühungen, dies zu verhindern; allein in Guatemalas jahrzehntelangem Bürgerkrieg starben etwa 200.000 Menschen, in El Salvador 75.000 Menschen, in Nicaragua 50.000. Die CIA unterstützte rechte Militärdiktaturen, deren Geheimdienste sich mit dem "Plan Condor" untereinander koordinierten.

CIA-Einsätze, Drogen und Drohungen

Nun also Venezuela im 21. Jahrhundert. Trump begann im Wahlkampf mit den Behauptungen, das Regime in Caracas leere seine Gefängnisse und schicke seine Kriminellen in die USA. Seit Monaten konzentriert sich der Vorwurf auf Drogenschmuggler, die ihre Ware in die USA brächten und damit US-Amerikaner töteten. Also fingen US-Streitkräfte in der Karibik an, Schnellboote in die Luft zu jagen und deren Insassen zu töten. Der Präsident autorisierte zudem Einsätze der CIA in Venezuela. Wie die aussehen und welche Missionsziele sie haben, ist unklar.

Ginge es tatsächlich um Drogen, wäre Venezuela ein zu unwichtiges Ziel, um dafür eine riesige Flotte mit 15.000 Soldaten in Wartestellung zusammenzuziehen. Zwei Drittel des Kokains in den USA kommt aus Kolumbien. Fentanyl, an dem im vergangenen Jahr fast 50.000 Menschen in den USA starben, wird vorrangig in Mexiko hergestellt. Doch Trump deklarierte Maduro zunächst als Drogenkartellboss, die Organisationen zu Terrorgruppen und bezeichnet inzwischen die gesamte venezolanische Regierung als ausländische Terrororganisation. Das angeblich auch aus dem Land geschmuggelte Fentanyl erklärte er per Dekret zur Waffenvernichtungswaffe.

Maduro hatte laut Medienberichten Trump bereits den Zugriff auf die Bodenschätze des Landes angeboten, wollte aber zumindest die Kontrolle über das Militär behalten. Trump jedoch wollte, dass er komplett abdankt und das Land verlässt, was Maduro ablehnte. Nun fordert das Weiße Haus von Venezuela in aller Offenheit dessen Ölfelder, Land und Anlagen zur Beschwichtigung. Wobei unklar ist, wie das überhaupt gemeint ist: Nichts davon gehörte den USA, sondern privaten europäischen und US-Konzernen, die teilenteignet wurden.

Im Jahr 2007 hatte der linke Präsident Hugo Chávez die Konzerne dazu gezwungen, mindestens 60 Prozent ihres Geschäfts an das staatliche Ölunternehmen Petróleos de Venezuela S.A. (PdVSA) zu überschreiben. Einige blieben im Land und nahmen eine angebotene Entschädigung an, andere zogen sich zurück, klagten und bekamen vor Gericht verschiedene Zahlungen zugesprochen. Manche hat Venezuela bis heute nicht komplett getätigt. Es handelt sich also um einen Konflikt über ausstehende Entschädigungen, keinen Diebstahl. Ebenso wenig sind die Vereinigten Staaten das Opfer.

Und was geschähe danach?

Trump lotet bereits die Möglichkeiten für eine Zeit nach Maduro aus. Mit den Überlegungen für das Danach sei Außenminister Marco Rubio beauftragt, schreiben US-Medien. Bei US-Ölkonzernen fragte die Regierung nach, ob sie sich vorstellen könnten, wieder in Venezuela zu fördern, berichtet "Politico". Demnach haben die Unternehmen abgewinkt - auch im Falle eines Regierungswechsels ist ihnen die Situation zu instabil und der Ölpreis zu niedrig; die Investitionen würden sich wohl kaum rechnen. Der US-Konzern Chevron hat das Land nie verlassen und fördert etwa ein Viertel bis ein Drittel der derzeitigen venezolanischen Ölproduktion.

Womöglich stellt sich Trump nicht nur eine Riviera des Nahen Ostens in Gaza, sondern auch ein karibisches Ölmekka samt Seltenen Erden in Venezuela vor. Doch nach fast 27 Jahren politischer Führung unter Chávez und dessen Nachfolger Maduro ist es schwierig abzusehen, wie sich die Situation im Land entwickeln würde. Das hängt auch davon ab, wie genau Trump, Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth weiter vorgehen. Die Lage würde sich "voraussichtlich erst verschlechtern, bevor sie sich verbessert", sagte ein weiterer Regierungsvertreter "The Atlantic": "Darauf müssen wir vorbereitet sein".

Trump hatte in seiner Wahlsiegesrede 2024 versprochen: "Ich werde keine Kriege beginnen, ich werde sie beenden." Er müsste also erklären, warum er als angeblicher Friedenspräsident unter einer neoimperialen Doktrin auf militärische Gewalt setzt, um Geschäftsinteressen durchzusetzen. Nur 25 Prozent der US-Wähler sagen in einer aktuellen Umfrage, sie würden einen Militäreinsatz gegen Maduro befürworten, 63 Prozent sprechen sich dagegen aus. "Sie drohen mit einem Regime-Change-Krieg ohne Plan, was danach passieren würde", kritisierte der demokratische Abgeordnete Gregory Meeks im Außenausschuss des Repräsentantenhauses.

Die neue Offenheit aus dem Weißen Haus, dass es am Ende ums Geld geht, könnte auch einen Ausweg für beide Staatschefs bedeuten. Aber nur, falls Trump das Öl wichtiger ist als die Person, die im Venezuelas Regierungspalast von Miraflores sitzt. "Er weiß genau, was ich will", sagte Trump am Donnerstag über Maduro. Falls Trump jedoch beides möchte, Geschäfte machen und politische Verbündete an den Schalthebeln in Caracas installieren - dann liefe es in letzter Konsequenz auf Krieg hinaus.

Quelle: ntv.de

SanktionenDonald TrumpVenezuelaHugo ChávezSüdamerikaÖlreservenNicolás Maduro