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Erst Abschiebehaft, dann Ruanda Großbritannien zeigt, wo die Asyl-Probleme liegen

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In Großbritannien sind Flüchtlinge nun nicht mehr willkommen.

In Großbritannien sind Flüchtlinge nun nicht mehr willkommen.

(Foto: picture alliance / AA)

Großbritannien setzt gerade um, was die CDU für die Europäische Union vorschlägt: Das Land entzieht irregulär eingereisten Menschen das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Viel spricht dafür, dass die Maßnahme nicht ausreicht, um die Zuwanderung in den Griff zu bekommen.

Das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen, löst viele grundlegende Probleme bei der Migration nicht. Das zeigt sich momentan in Großbritannien, wo das Parlament Mitte Juli ein Gesetz billigte, das den irregulär Eingereisten eben jenes Recht entzieht. Alle Menschen, die nach ihrer Flucht die britische Küste erreichen, sollen demnach 28 Tage in Haft verbringen, um anschließend in ein Drittland oder ihre Heimat abgeschoben zu werden. Der Vorschlag klingt einfach, die Umsetzung birgt jedoch Tücken.

Großbritannien hatte Ruanda auserkoren, um die Asylsuchenden nach ihrer Inhaftierung aufzunehmen. London zahlte dem ruandischen Staat für das Projekt insgesamt 150 Millionen Euro. Aufgrund laufender Klagen wurde bislang jedoch kein einziger Asylbewerber nach diesem Modell ausgeflogen. Die britische Regierung steht unter Druck, da sie das Versprechen nicht eingelöst hat, nach dem Brexit würden weniger Flüchtlinge kommen. 2022 sind rund 45.000 Migranten über den Ärmelkanal nach Großbritannien geflüchtet - so viel wie nie zuvor.

In Deutschland ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Thorsten Frei, davon überzeugt, dass die Europäische Union das individuelle Recht auf Asyl einkassieren und stattdessen ein Kontingent an Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen sollte. Ob diese restriktive Asylpolitik Menschen davor abschreckt, nach Europa zu kommen, weiß niemand. Mit Blick auf Großbritannien stellt sich die Frage, was mit den Menschen geschieht, denen dennoch die Flucht gelingt.

Supreme Court soll über Ruanda-Pakt entscheiden

Wie London hofft auch Brüssel auf die Kooperation mit Transit- und Herkunftsländern in Afrika. Vor wenigen Wochen legte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem tunesischen Präsidenten Kais Saied 900 Millionen Euro auf den Tisch. Im Gegenzug soll Saied der Europäischen Union helfen, ihr Migrationsproblem in den Griff zu bekommen.

Die tunesische Regierung soll Flüchtlingsboote im Mittelmeer am Ablegen hindern, auch die Aufnahme von abgelehnten Asylbewerbern ist im Gespräch. Die direkte Rückführung in Herkunftsländer funktioniert in vielen Fällen nicht, da diese die Wiederaufnahme ihrer Landsleute oft ablehnen. Der Gesetzentwurf zur Reform des EU-Asylrechts erlaubt deshalb auch die Abschiebung in sichere Drittstaaten.

Über die Definition eines sicheren Drittstaates stolpert allerdings schon Großbritannien bei seinem Pakt mit Ruanda. Ende Juni entschied ein Berufungsgericht, dass Ruanda nicht genug Sicherheit für Asylbewerber biete. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Mängel des Asylsystems in dem ostafrikanischen Land zu groß seien. Es bestehe ein Risiko, dass nach Ruanda abgeschobene Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückgeschickt würden, wo ihnen Verfolgung und andere unmenschliche Behandlung drohe. Nun soll das oberste Gericht, der Supreme Court, entscheiden.

Ruanda-Abschiebung kostet wohl 196.000 Euro pro Kopf

Bereits der erste geplante Abschiebeflug nach Ruanda vor etwa einem Jahr wurde durch eine einstweilige Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, an den sich Flüchtlinge wenden können, gestoppt. Als Reaktion darauf plant die britische Regierung, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgesetzt werden kann.

Auch mit Blick auf Tunesien bestehen Zweifel, ob dieses Land ein sicherer Ort für abgeschobene Asylbewerber ist. Deutschland zumindest stuft es nicht als sicheren Herkunftsstaat ein. Präsident Saied selbst macht Stimmung, insbesondere gegen Minderheiten aus Subsahara-Afrika, die er als "Horden irregulärer Migranten" bezeichnet und ihnen "Gewalt, Verbrechen und inakzeptable Verhaltensweisen" unterstellt hatte. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wiederum sieht Gewaltbereitschaft bei tunesischen Sicherheitskräften. Sie wirft ihnen "schwere Misshandlungen" afrikanischer Migranten vor - darunter Folter, Diebstahl und willkürliche Verhaftungen. Die EU forderte sie dazu auf, ihre finanzielle Unterstützung für Tunesien zur Migrationskontrolle einzustellen.

Die EU jedoch denkt nicht daran, die Zusammenarbeit mit Tunis zu stoppen. Viel mehr soll das Migrationsabkommen als Vorbild für die Kooperation mit weiteren Staaten dienen, erklärte von der Leyen. Bislang ist unklar, wie solche Vorhaben finanziert werden sollen. Die Kostenfrage beschäftigt auch Großbritannien. Kürzlich sorgte für Aufsehen, dass das britische Innenministerium die Ruanda-Pläne auf 169.000 Pfund (196.000 Euro) pro abgeschobenem Migranten schätzt. Demgegenüber stehen nach Schätzungen zwischen 106.000 und 165.000 Pfund an Kosten für die Unterbringung der Menschen in Großbritannien, die eingespart werden können. Eine billige Lösung sieht anders aus.

Quelle: ntv.de

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