Verfassungsbruch beim Euro-Gipfel Grüne attackieren Merkel
14.05.2010, 08:40 Uhr
Merkel auf dem Weg zum EU-Gipfel in Brüssel.
(Foto: REUTERS)
Schwere Vorwürfe gegen Kanzlerin Merkel: Die Grünen sehen durch den Beschluss über den Euro-Rettungsschirm das Grundgesetz verletzt. Die Regierung hätte zuvor das Parlaments befragen müssen, heißt es. Bundestagspräsident Lammert verteidigt derweil den EU-Vorstoß für schärfere Haushaltsregeln.
Die Grünen werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, bei der Vereinbarung auf den Milliarden-Rettungsschirm zur Stabilisierung des Euro einen Verfassungsbruch begangen zu haben. In den Verhandlungen darüber habe die CDU-Chefin die Rechte des Parlaments verletzt, betonen die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin in einem Schreiben an Merkel, das der "Frankfurter Rundschau" vorliegt.
Darin beriefen sich Trittin und Künast auf Artikel 23 des Grundgesetzes. Dieser verpflichte die Regierung, "vor ihrer Mitwirkung an Rechtssetzungsakten der Europäischen Union" dem Bundestag die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Abstimmungsverhalten der Fraktionen unklar
Die Regierung Merkel habe aber am vergangenen Wochenende noch nicht einmal versucht, die Fraktionschefs zu kontaktieren, kritisieren Trittin und Künast laut dem Bericht. Am Dienstag hatte das Kabinett den Gesetzentwurf gebilligt - die Zustimmung durch den Bundestag soll rasch erfolgen, das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aber noch unklar.
Der deutsche Garantierahmen für Notkredite an klamme Euro-Länder beträgt maximal 123 Milliarden Euro. Er kann auf rund 148 Milliarden Euro steigen, wenn Länder nicht mitziehen, die selbst Hilfen gegen eine Pleite benötigen. Das Euro-Rettungspaket umfasst insgesamt Hilfen von bis zu 750 Milliarden Euro. Als erste Notfall-Hilfe können 60 Milliarden Euro der EU-Kommission sofort fließen.
Lammert verteidigt EU-Haushaltsregeln

Lammert verteidigt den Vorstoß der EU.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht derweil in dem Vorstoß der EU-Kommission für schärfere Haushaltsregeln in den Mitgliedsländern keinen Angriff auf die Hoheit des Parlaments in Haushaltsfragen. "Das ist weder rechtlich möglich, noch politisch beabsichtigt", sagte der CDU-Politiker der "Frankfurter Rundschau". Wenn die EU-Kommission ein höheres Maß an Transparenz der Budgetplanung und so eine höhere Rechtfertigung für großzügige Haushaltsplanungen anstrebe, sei das nicht voreilig, sondern überfällig. Scharfe Kritik kam aber von einzelnen Haushaltsexperten der Koalition.
Nach den Plänen der Brüsseler Kommission sollen ab 2011 die EU- Regierungen ihre Haushaltsentwürfe vorlegen, bevor die nationalen Parlamente darüber abstimmen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU, Peter Altmeier (CDU), betonte: "Ich sehe darin keinen Eingriff in unser Haushaltsrecht". Die Unionsfraktion werde alle Bemühungen der EU-Kommission unterstützen, konsequenter gegen die Verletzung der Stabilitätsregeln vorzugehen. "Bisher hat sie eher zu viel durchgehen lassen", sagte das CDU-Mitglied.
"Rolle rückwärts"
Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger verteidigte die geplanten Kontrollen nationaler Haushalte durch die EU-Kommission. Hätte man die Haushalte Griechenlands oder anderer Staaten bereits als Entwurf gekannt, wäre sichergestellt worden, dass solche Haushalte erst gar nicht in Kraft treten, sagte Oettinger im Deutschlandfunk.
Norbert Barthle, der Chefhaushälter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag lehnte der Vorstoß hingegen ab. "Wir können uns kein Go aus Brüssel abholen, bevor wir unseren Haushalt machen", sagte der CDU-Politiker der "Schweriner Volkszeitung". Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, er lehne Eingriffe "strikt ab". Die Kommission könne nicht der Regierung und dem Parlament Änderungen im Haushalt vorschlagen. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sieht eine "Rolle rückwärts, wenn der Bundestag die EU-Kommission bei Haushaltsfragen mitreden lasse.
Quelle: ntv.de, dpa