Kritik an EHEC-Krisenmanagement Grüne fordern Kontrollplan
06.06.2011, 07:29 Uhr
Gesundheitsminister Bahr sieht keinen Hinweis auf Blockaden im System.
(Foto: dpa)
Nicht nur Grüne und SPD, auch das Ausland und Experten aus Deutschland kritisieren das Krisenmanagement der deutschen Behörden als zu schwerfällig. "Man kann nicht darauf warten, dass die Experten irgendwann miteinander telefoniert haben", sagt Grünen-Fraktionschefin Künast.
Die Grünen haben die Arbeit der Bundesregierung bei der Bekämpfung der EHEC-Epidemie scharf kritisiert. "Es findet keinerlei Krisenmanagement statt. Ich frage mich, was der Gesundheitsminister und die Verbraucherministerin eigentlich machen", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der "Berliner Zeitung". Das für diese Woche geplante Spitzentreffen der Verbraucher- und Gesundheitsminister von Bund und Ländern sei eine "reine Show".

Schaulustige und Journalisten vor dem "Gärtnerhof Bienenbüttel" in Uelzen. Die dort produzierten Sprossen könnten den Erreger verbreitet haben - möglicherweise.
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Stattdessen brauche Deutschland einen "nationalen Kontrollplan" mit einer Checkliste möglicher Übertragungswege vom Bauern über die Verarbeitung bis zum Restaurant, sagte Künast. Bislang würden weder die Suche nach den Infektionsherden noch die Laborforschung bundesweit koordiniert. "Man kann nicht darauf warten, dass die Experten irgendwann miteinander telefoniert haben."
"Auch über einen Monat nach Ausbruch der Seuche arbeiten Ministerien, Bundesbehörden, Bundesländer, Kliniken und Gesundheitsämter unkoordiniert nebeneinander her, ohne dass eine klare Linie erkennbar ist", kritisierte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann.
"Informationen fließen zu langsam"
Kritik kam auch aus dem Ausland. Tschechiens Agrarminister Ivan Fuksa sagte, der Fluss von Information sei zu langsam. "Bei den Deutschen kann das mitunter fünf Tage dauern", sagte Fuksa. Er wolle sich in Brüssel für eine Beschleunigung der EU-weiten Warnmeldungen einsetzen.
Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité, Ulrich Frei, bemängelte, das Universitätsklinikum habe erst in der vergangenen Woche EHEC-Fragebögen vom RKI für die Patienten bekommen. "Das reicht nicht. Man hätte die Patienten interviewen sollen", sagte er dem "Tagesspiegel". Es sei zudem nicht erkennbar, was das RKI erarbeite. "Wir brauchen eine bessere Informationspolitik."
Bahr: Alles funktioniert
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte hingegen die Arbeit der Regierung und der zuständigen Stellen: "Ich sehe derzeit keinen Hinweis darauf, dass die Systeme und Regeln, die wir haben, nicht funktionieren", sagte er bei einem Besuch im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) am Sonntag. Bund, Länder und das RKI arbeiten seiner Ansicht nach sehr gut zusammen.
"Einer muss die Verantwortung übernehmen"
Es wäre wichtig gewesen, den Erreger schnell und weitflächig zu suchen, sagte . "Die Patientenbefragung ist aber viel zu spät und begrenzt angelaufen. Auch war die Auswahl der Lebensmittel, nach der gefragt wurde, zu eingeengt."
Vor allem Verbraucherministerin Aigner drücke sich davor, Verantwortung zu übernehmen. Ihrem Ministerium komme aber die zentrale Koordinierungsaufgabe zu.
Der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige stellvertretende Unions-Fraktionschef Johannes Singhammer (CSU) brachte ein Prüfsiegel für Gemüse ins Gespräch, um weitere wirtschaftliche Verluste bei deutschen Erzeugern durch die EHEC-Krise zu unterbinden. "Allerdings müsste die Wissenschaft dafür grünes Licht geben", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Es gehe ja nicht nur um die Erzeugung der Produkte. "Eine Verseuchung könnte auch über den Vertriebsweg erfolgen. Auch darüber wissen wir leider noch zu wenig", so der CSU-Politiker.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP