Zwischenfälle in Atomkraftwerken Grüne sehen sich bestätigt
25.07.2009, 09:03 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Grünen sehen sich durch die Zwischenfälle und Abschaltungen in mehreren Kernkraftwerken in ihrem Anti-Atom-Kurs bestätigt. Die stellvertretende Bundestagsfraktionschefin Bärbel Höhn sagte mit Blick auf den Vorfall im schleswig-holsteinischen Pannenreaktor Krümmel: "Das ist der zweite Vorfall innerhalb kürzester Zeit." Deshalb seien die Pläne von Schwarz-Gelb, die Atomkraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, "verantwortungslos". Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) warnte dagegen vor einer Dämonisierung der Atomkraft.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) findet die Serie von Abschaltungen deutscher Atomkraftwerke derweil "außerordentlich beunruhigend". "In allen drei AKWs gibt es Probleme im Bereich der Maschinentransformatoren, obwohl alle drei Anlagen kurz zuvor in der Revision waren oder umfassend saniert wurden", sagte Gabriel.
Erst am Freitag waren wieder zwei AKW abgeschaltet worden: das im emsländischen Lingen nach einem Zwischenfall und das im baden-württembergischen Philippsburg zur Überprüfung eines möglichen Fehlers. Bereits am 4. Juli war Krümmel nach einem Transformator-Kurzschluss vom Netz gegangen, nachdem das Werk zuvor wegen eines ähnlichen Fehlers schon einmal fast zwei Jahre stillgestanden hatte.
Nicht als Störfall eingestuft
Auch in Lingen hatte eine Überwachungseinrichtung an einem Maschinentrafo nach Mitteilung des Betreibers RWE eine Schnellabschaltung ausgelöst. Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums handelt es sich in Lingen um einen Vorfall von geringer Bedeutung, der auf der untersten Meldekategorie und nicht als Störfall eingestuft wurde. Eine Sicherheitsgefahr bestehe nicht, Radioaktivität sei nicht ausgetreten, sagte eine Sprecherin.

Für Forschungsministerin Schavan bedeuten Atomkraftwerke Zukunftssicherung.
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Der Betreiber von Philippsburg, Energie Baden-Württemberg (EnBW), gab als Grund für die Abschaltung des Blocks 2 die Suche nach einem möglichen Fehler ebenfalls im Bereich der Maschinentransformatoren an. Messungen hätten ergeben, dass die Isolationseigenschaft des Öls der Isolierkerzen eventuell vermindert sei. Während des laufenden Betriebs könnten aber keine Ölproben entnommen werden. Eine Meldepflicht bestehe derzeit nicht. Der Block geht vorerst aber nicht wieder ans Netz. Wie lange der Reaktor abgeschaltet bleibt, ist noch unklar.
"Kernkraft nicht verteufeln"
Schavan sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Wer will, dass Deutschland bei der Energieversorgung eine vernünftige Perspektive hat, darf die Kernkraft nicht verteufeln". Die stellvertretende CDU-Vorsitzende nannte es "verantwortungslos", Störfälle wie im Reaktor Krümmel "für Propaganda zu nutzen".
Schavan rief zudem dazu auf, den Salzstock in Gorleben rasch zum Atomendlager auszubauen. "Ein geeigneter Standort ist doch bereits gefunden worden. Bisher hat niemand glaubhaft darlegen können, dass sich der Salzstock in Gorleben nicht eignet", sagte sie. Dabei griff sie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) an: "In der Frage des Endlagers hätten wir in den vergangenen vier Jahren weiterkommen können, wenn Herr Gabriel hätte weiterkommen wollen." Gabriel habe aber lieber auf Blockade gesetzt. "Jetzt müssen wir in der kommenden Wahlperiode eine Lösung finden", sagte Schavan.
Sicherheitskonzept nicht voll umgesetzt
Unterdessen wurde bekannt, dass beim Wiederanfahren des Pannen-Reaktors Krümmel Mitte Juni ein von der Atomaufsicht gefordertes Sicherheitskonzept noch nicht voll umgesetzt war. Das "Konzept zur Vermeidung des Eintrags von Fremdkörpern" in den Reaktordruckbehälter sei bisher nur "teilweise umgesetzt" und werde "teilweise noch begutachtet", sagte der Sprecher des für die Atomaufsicht zuständigen Sozialministeriums in Kiel, Oliver Breuer, dem "Spiegel". Für Nachfragen war er zunächst nicht zu erreichen.
Der Reaktor nahe Hamburg hatte nach einem Brand im Transformatoren-Haus stillgestanden und hatte sich kurz nach seinem Wiederanfahren bereits am 4. Juli infolge eines Kurzschlusses in einem Transformator wieder selbst abgeschaltet.
Es geht "längst ohne Atomstrom"
Das Anti-Atomkraft-Bündnis "ausgestrahlt" erklärte, nun seien 8 der 17 AKW vom Netz. "Wären wir für eine sichere Stromversorgung wirklich auf die störanfällige Atomtechnik angewiesen, dann sähe es jetzt schlecht aus. Doch glücklicherweise geht es längst ohne Atomstrom. Deshalb wäre es hirnverbrannt, die Gefahren dieser Technik weiter in Kauf zu nehmen, nur damit die großen Stromkonzerne Milliardengewinne machen können."
Quelle: ntv.de, dpa