Politik

Offene Fragen Grüne wollen an die Regierung

Bei den Grünen wird es ernst. Erstmals seit Beginn ihres Höhenflugs in Umfragen versammeln sie sich zum Parteitag - eine Nabelschau vor bis zu 820 Delegierten will die Führung in Freiburg aber auf alle Fälle verhindern.

Die Grünen wählen am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag einen neuen Bundesvorstand.

Die Grünen wählen am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag einen neuen Bundesvorstand.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Grünen nehmen Kurs aufs Regieren und wollen dabei auf keinen Fall ins Schlingern kommen. In Baden-Württemberg und Berlin könnten sie nach aktuellen Umfragen nächstes Jahr die Regierungschefs von ihren Posten vertreiben - im Bund zwei Jahre später zumindest koalieren. Aber nur wenn die Prognosen von über 20 Prozent im Bund und deutlich mehr in den beiden Ländern Realität werden. "Umfragen sind keine Wahlergebnisse", mahnt Parteichef Cem Özdemir. Die erste Klippe ist der Bundesparteitag ab 19. November in der Grünen-Hochburg Freiburg. Während CDU/CSU, FDP und SPD die Grünen immer härter attackieren, will die Partei Seriosität ohne Langeweile demonstrieren.

"Wir müssen realitätstaugliche Konzepte vorlegen, ohne unsere Visionen für die Zukunft zu verlieren", lautet die Parole der Co- Vorsitzenden Claudia Roth, die in Freiburg wie Özdemir für zwei Jahre zur Wiederwahl ansteht. Ebenso wie die Anwärter für 13 Parteiratsposten müssen sie sich nach bisherigem Stand keinen Gegenkandidaten stellen. Das nimmt den Wahlen die Spannung. Auch thematisch stehen kaum große Konflikte an. "Wir müssen liefern", sagt Roth. Detail um Detail dürften die Grünen im Breisgau um die Stromproduktion der nächsten Jahre oder die Finanzierung der Kommunen debattieren.

Von der Kritik- zur Konzeptpartei

Seehofer wirft den Grünen "Jammern, Meckern, Nölen" vor.

Seehofer wirft den Grünen "Jammern, Meckern, Nölen" vor.

(Foto: picture alliance / dpa)

Denn Angriffsflächen will sich die Partei immer weniger leisten. "Entlarvt die Grünen, demaskiert sie", hat CSU-Chef Horst Seehofer auf dem CDU-Konvent in Karlsruhe als schwarz-gelbes Rezept für den Kampf um die Wähler der Mitte benannt. Für Kanzlerin Angela Merkel sind die Grünen immer nur gegen alles. Mit einer Mischung aus Entzücken und Empörung werden die Attacken von den Gescholtenen pariert. Noch vor der Bundestagswahl vor einem guten Jahr hatte die Partei praktisch keine Machtoption und entsprechend wenig Resonanz. "Wir nehmen den Fehdehandschuh auf", frohlockt Geschäftsführerin Steffi Lemke jetzt.

Eine Dafür-Partei wollen die Grünen nun sein, eine Konzeptpartei. In Freiburg wollen sie durchdeklinieren, wer für niedrigere Krankenkassen-Sätze in einer Bürgerversicherung bezahlen soll. Eine dafür geplante höhere Beitragsbemessungsgrenze sowie Beiträge auch auf Mieten und Kapitaleinkünfte würden auch die eigene Mittelschichts-Klientel belasten - die Grünen deuten solche Rechnungen als Ausweis von Ehrlichkeit, nicht als Problem. Die Erwartung: Grünen-Anhänger würden für mehr soziale Gerechtigkeit notfalls auch mehr an den Staat zahlen.

"Volkspartei" wider Willen

Künast will Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sein Amt abnehmen.

Künast will Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sein Amt abnehmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Weitere große Fragen von Sozialpolitik und Umverteilung werden in Freiburg erstmal ausgespart - da könnte es erst in naher Zukunft bei den Grünen wieder krachen. Die Befürworter eines staatlichen Grundeinkommens für alle konnten auf einem Parteitag vor drei Jahren nur mit dem Versprechen eines 50 Milliarden Euro schweren Sozialprogramms zurückgedrängt werden. Bald will man das in Zukunftsforen diskutieren.

Wer bei den Grünen schon regiert oder bald regieren will wie Renate Künast, die in Berlin Klaus Wowereit von der SPD aus dem Amt jagen will, verspricht Bodenhaftung: "Wir wissen, dass wir dort, wo wir Verantwortung übernehmen, (...) das komplette Programm durchdenken müssen." Von Prioritätensetzen ist jetzt viel die Rede. Doch ganz konfliktlos geht der Höhenflug nicht ab. Realos in der Fraktion pochen darauf, jetzt auch wirklich Volkspartei zu werden - ein Begriff, den die Führungsleute ablehnen. Selbstbeschäftigung dieser Art wollen sie auf jeden Fall vermeiden in Freiburg - deshalb das Motto: "Auftrag: Grün".

Quelle: ntv.de, Basil Wegener, dpa

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