Vierter Besuch in Afghanistan Guttenberg bei "Haubitze 2000"
16.07.2010, 10:54 Uhr
"Wichtige Waffe": Guttenberg vor der "Panzerhaubitze 2000".
(Foto: dpa)
Bei einem unangekündigten Besuch in Afghanistan lässt Verteidigungsminister Guttenberg sich die Panzerhaubitze vorführen, die er nach Afghanistan hatte verlegen lassen. Am vergangenen Wochenende war mit den Haubitzen erstmals scharf geschossen worden.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat erneut die deutschen Soldaten in Afghanistan besucht. Ein ursprünglich geplanter Abstecher zu Kampfverbänden in der nordafghanischen Unruheprovinz Baghlan wurde aufgrund von Gefechten der Bundeswehr mit Taliban kurzfristig abgesagt.
Der CSU-Politiker war bereits vom Feldlager Kundus aus mit dem Hubschrauber auf dem Weg zu den Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force, QRF), als ihn die Nachricht von den Kämpfen erreichte. Auf Empfehlung des Kommandeurs der Truppe kehrte er um. Es wäre der erste Besuch Guttenbergs eines Truppenteils in Afghanistan außerhalb der Feldlager gewesen.
Vorführung für den Minister
In Kundus ließ sich Guttenberg auch die "Panzerhaubitze 2000" vorführen, die die Bundeswehr dort vor einen Tagen erstmals gegen die Aufständischen eingesetzt hatte. Es ist die schwerste Waffe, über die die Bundeswehr am Hindukusch verfügt, und ihr Einsatz gilt als Symbol für die neue Politik unter Guttenberg. Das Geschütz sei "eine wichtige Waffe, um dort wirken zu können, wo man wirken muss", sagte der Minister.
Die 155-Millimeter-Kanone kann 40 Kilometer weit schießen und selbst auf diese Entfernung auf 30 Meter genau treffen. Zur Kritik an der Ausrüstung der Bundeswehr erklärte der Minister, diese sei "als Prozess zu sehen, den man nie als beendet betrachten darf".
Die Vorgängerregierung hatte eine Verlegung der schweren Waffe nach Afghanistan trotz anhaltender Forderungen der Truppe in Kundus abgelehnt, um den Anschein eines Kriegs zu vermeiden. Guttenberg brach das Tabu schon kurz nach seinem Amtsantritt und spricht seither offen vom "Krieg" in Afghanistan - wobei er stets darauf hinweist, dass er den Begriff nur alltagssprachlich benutzt.
Mit Blick auf die internationale Konferenz, die in der kommenden Woche in Kabul stattfindet, machte Guttenberg deutlich, dass auch die Afghanen stärker in die Pflicht genommen werden sollen. "Die Bundesregierung erwartet Signale, die auch von Afghanistan selbst ausgehen müssen", sagte Guttenberg. Bei der Konferenz in Kabul soll eine Zwischenbilanz der Fortschritte seit dem Strategiewechsel gezogen werden, der im Januar bei einer Afghanistan-Konferenz in London beschlossen worden war.
"Unterstützung für die Soldaten"
In der Region um Kundus ist die Bundeswehr in den vergangenen Wochen verstärkt von Taliban attackiert worden. Er sei besorgt, denn die Aufständischen in der Region gingen zunehmend professioneller vor, sagte Guttenberg.
Es ist die vierte Afghanistan-Reise Guttenbergs seit seinem Amtsantritt vor knapp neun Monaten. Er sei nach Afghanistan gekommen, "um den Soldaten die Unterstützung der Bundesregierung zu übermitteln", sagte der Verteidigungsminister. Erst kürzlich merkte die "Süddeutsche Zeitung" spitz an, der "Verehrungsgrad für den Verteidigungsminister in der Truppe" habe "schon sektenhafte Ausmaße angenommen".
Guttenberg erwartet weitere Tote
Im Juni waren in Afghanistan 102 Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF getötet worden, mehr als in jedem anderen Monat seit Beginn der Mission Ende 2001. Im April kamen insgesamt sieben deutsche Soldaten bei Kämpfen in den Nordprovinzen Kundus und Baghlan ums Leben. Guttenberg hatte vor seiner Abreise gesagt, man müsse in diesem Sommer mit weiteren Gefallenen rechnen. Ungeachtet dessen will die Bundeswehr noch im Sommer die Ausbildung afghanischer Soldaten in der Fläche ausweiten. Dafür war die Höchstgrenze für das Kontingent im Februar von 4500 auf 5250 Soldaten angehoben worden.
Die NATO hat ihre Truppenpräsenz in der Region laut Dalton innerhalb eines Jahres dank zusätzlicher US-Soldaten auf 21.000 Soldaten verdreifacht. Afghanische Armee und Polizei würden ihre Präsenz in der Region dieses Jahr verdoppeln.
Guttenberg war in der Nacht zu Freitag wegen einer Flugzeugpanne mit 16 Stunden Verspätung im Hauptquartier der internationalen Schutztruppe ISAF für Nordafghanistan in Masar-i-Scharif eingetroffen. Dort nahm er an der Indienststellung von 40 neuen US-Hubschraubern für die Nordregion teil. Die Helikopter entlasten die Bundeswehr, die nur über wenige Hubschrauber vor Ort verfügt, beispielsweise beim Transport von Verwundeten. Ein in Kundus geplantes Treffen mit dem neuen ISAF-Kommandeur, General David Petraeus, musste wegen der Verspätung abgesagt werden.
Kanada übergibt Kommando
Die kanadischen Streitkräfte haben das Kommando in Kandahar, der Hauptstadt der gleichnamigen südafghanischen Unruheprovinz, an die US-Armee abgegeben. Die rund 2800 kanadischen Soldaten in Afghanistan blieben vorerst in der Region, konzentrierten sich aber auf "ein kleineres Einsatzgebiet", sagte Oberst Craig Dalton in Kandahar.
Kanada, das sich seit 2002 an dem internationalen Afghanistan-Einsatz beteiligt, will seine Soldaten bis Ende 2011 vollständig abziehen. Die kanadische Armee hatte vor zwei Wochen bereits die Kontrolle über Shari und Arghandab, zwei Bezirke nahe der Stadt Kandahar, abgegeben. Anfang des Monats hatte die britische Armee angekündigt, in den kommenden Monaten die Kontrolle in dem besonders gefährlichen Bezirk Sangin in der südafghanischen Provinz Helmand an die US-Armee abzugeben.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP