Politik

Tote Soldaten in Deutschland Guttenberg spricht von "Krieg"

Verteidigungsminister Guttenberg nennt nach dem Tod dreier deutscher Soldaten das Kind beim Namen: Man könne das, was sich in Teilen Afghanistans abspiele, umgangssprachlich Krieg nennen. Zugleich wehrt sich Guttenberg gegen Kritik an der deutschen Strategie am Hindukusch.

Drei deutsche Soldaten kehren tot in die Heimat zurück.

Drei deutsche Soldaten kehren tot in die Heimat zurück.

(Foto: REUTERS)

Nach dem Tod von drei deutschen Soldaten bei Gefechten mit radikal-islamischen Taliban in Afghanistan hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) von "Krieg" gesprochen. Bei der Realität in der Region "kann man umgangssprachlich von Krieg reden", sagte Guttenberg. Er hob hervor, "die Perfidie und gleichzeitig auch die Komplexität des Anschlags" machten die Realität in Afghanistan deutlich. Es scheine nicht ganz zufällig der Karfreitag für den Anschlag ausgewählt worden zu sein. Am Sonntagabend landete ein Regierungs-Airbus mit den Särgen der drei getöteten Fallschirmjäger auf dem Flughafen Köln/Bonn.

Die Bundesregierung hatte im Februar den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan neu bewertet und völkerrechtlich als "bewaffneten Konflikt" eingestuft. Zuvor war von einem Stabilisierungseinsatz der Bundeswehr die Rede. In einem "bewaffneten Konflikt" ist Gewaltanwendung eher gerechtfertigt, solange dies militärisch notwendig erscheint. Demnach hätten Bundeswehr-Soldaten nicht so schnell mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Guttenberg sagte nun, juristisch wäre "Krieg" eine Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten, umgangssprachlich könne der Konflikt in Afghanistan aber so bezeichnet werden.

Guttenberg wird Stück für Stück deutlicher. Der Soldaten-Alltag in Afghanistan spricht eh eine klare Sprache.

Guttenberg wird Stück für Stück deutlicher. Der Soldaten-Alltag in Afghanistan spricht eh eine klare Sprache.

(Foto: APN)

Guttenberg wies zugleich Kritik an der deutschen Strategie in Afghanistan zurück. "Wir bleiben in Afghanistan", unterstrich der Minister. Er widersprach auch der Ansicht, die Geschehnisse seien Ausdruck eines Scheiterns der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung. Die neue Strategie solle bis Sommer oder Herbst umgesetzt werden. Sie berge Gefahren, die alte Strategie aber auch. "Der Einsatz dort ist und bleibt gefährlich", sagte Guttenberg. Auch künftig müsse mit Toten oder Verwundeten gerechnet werden. Wenn aber wie am Karfreitag Patrouillenwege bekannt seien, werde das Vorgehen der Bundeswehr in gewissem Maße berechenbar. Guttenberg machte zudem klar, dass eine Abzugsperspektive für die Bundeswehr entwickelt werden solle, dies könne aber nicht darin bestehen, "dass man Hals über Kopf" das Land verlasse.

Generalbundesanwalt untersucht "friendly fire"

Am Rande der Kämpfe wurden zudem durch Bundeswehr-Beschuss sechs Soldaten der verbündeten afghanischen Armee irrtümlich getötet. Der Vorfall werde jetzt intensiv untersucht, berichtete Guttenberg. Der Generalbundesanwalt habe den Gesamtfall an sich gezogen.

Guttenberg wandte sich dagegen, über den nächtlichen Hergang zu spekulieren. Es sei jedoch "ausgesprochen ärgerlich, wenn so etwas passiert". Auch die NATO, Afghanen und die Bundeswehr untersuchten den Fall. Der Kommandeur der internationalen Schutztruppe ISAF, Stanley McChrystal, informierte sich im Feldlager Kundus über die Geschehnisse.

"Taliban sind überlegen"

Im Zusammenhang mit dem tödlichen Gefecht  hat der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, der Bundesregierung vorgeworfen, aus dem Luftangriff von Kundus im September nicht die nötigen Lehren gezogen zu haben. Es gebe ein "Unverständnis über die Bedingungen vor Ort und eine Ignoranz der Notwendigkeiten für die Streitkräfte", sagte Kujat der "Welt am Sonntag". Für ihn habe bereits der von der Bundeswehr angeforderte Luftangriff vom 4. September Defizite offen gelegt. "Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie - wie so oft - nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind", sagte Kujat, der von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr war.

"Die Taliban kennen das Gelände, sie sind überlegen. Das muss man doch irgendwie ausgleichen", kritisierte Kujat. Die Rebellen seien nach dem Luftangriff im September zunächst "geschwächt" gewesen. "Danach haben sie eine gewisse Zeit gebraucht, um sich in Szene zu setzen. Und genau das tun sie jetzt." In wenigen Wochen werde der nächste Anschlag dieser Art folgen, sagte Kujat. Um die Handlungen des Gegners besser einschätzen zu können, brauche die Bundeswehr ein vernünftiges Streitkräfte-, Führungs- und Informationssystem. Nach Aussagen der Industrie seien wesentliche Komponenten dafür bereits fertig - "nur die Ministerialbürokratie tut nichts", ergänzte Kujat.

Der Ex-Generalinspekteur, der von 2002 bis 2005 auch Vorsitzender des Militärausschusses der NATO war, kritisierte zudem, dass die deutschen Einsatzkräfte nicht in der notwendigen Zahl in Afghanistan stationiert seien. In der neuen Mandatsobergrenze von 4500 plus 500 Mann Reserve sieht er einen "Koalitionskompromiss, der nicht dem tatsächlichen operativen Bedarf entspricht". Nach dem jüngsten Bundestagsbeschluss erkenne er keine wirkliche neue Strategie. Mehr Ausbildung und weniger Kampftruppen, das sei der falsche Ansatz, sagte der ehemals ranghöchste deutsche Soldat.

Gedenken an tote Kameraden

Die Bundeswehrsoldaten in Kundus nahmen am Ostersonntag Abschied von ihren drei getöteten Kameraden. Im Feldlager der nordafghanischen Provinz gaben sie den drei zwischen 25 und 35 Jahre alten Fallschirmjägern aus Niedersachsen die letzte Ehre. "Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen", sagte der ISAF- Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört".

Mehrere Hundert Kameraden nahmen Abschied von den getöteten Fallschirmjägern.

Mehrere Hundert Kameraden nahmen Abschied von den getöteten Fallschirmjägern.

(Foto: REUTERS)

Am Karfreitag waren die drei Soldaten bei den bislang schwersten Gefechten zwischen der Bundeswehr und den radikal-islamischen Taliban erschossen worden. Acht weitere deutsche Soldaten wurden verletzt, vier von ihnen schwer.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel sprach den Soldaten die Anteilnahme der Bundesregierung aus. Er hatte seine Afghanistan-Reise um einen Tag verlängert, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können. "Die deutschen Soldaten lassen sich durch noch so heimtückische Gewalt nicht beeinflussen", sagte der FDP-Politiker. "Mit unseren Alliierten werden wir den Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan für ein friedliches, stabiles und sicheres Land fortsetzen."

Schwerverletzte außer Lebensgefahr

Der Gesundheitszustand der vier in Afghanistan schwer verwundeten Soldaten ist nach Bundeswehr-Angaben stabil. Die Männer waren nach ihrer Rückkehr nach Deutschland in das Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz gebracht worden. Sie hatten Schuss- und Splitterverletzungen erlitten. Zwei der Männer wurden mehrere Stunden lang operiert, wie Oberstleutnant Ralph Adametz, Sprecher des Sanitätsführungskommandos, mitteilte. Die Soldaten befänden sich auf der Intensivstation.

Quelle: ntv.de, jmü/dsi/AFP/dpa

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