Politik

"Superstar"-Hype Guttenberg sucht Abstand

Der Hype um den "Superstar Guttenberg" nervt den Verteidigungsminister. Auf einer Reise nach China und in die Mongolei könnte er nun etwas Abstand davon gewinnen. Ganz gelingt ihm das aber nicht.

Die Berichterstattung der letzten Wochen hat Guttenberg geärgert.

Die Berichterstattung der letzten Wochen hat Guttenberg geärgert.

(Foto: dapd)

Wenn Karl-Theodor zu Guttenberg am frühen Morgen auf der Chinesischen Mauer spaziert, dann ist das Frühsport. Strammen Schrittes marschiert er bei strahlender Sonne über den riesigen Verteidigungswall, der sich tausende Kilometer durch die nordchinesischen Berge schlängelt. Sein Tross kann ihm auf den steilen Rampen, die zu den Wachtürmen führen, kaum folgen. Hoch über dem größten Bauwerk der Welt sind vier chinesische Schriftzeichen an die Felsen gemalt. "Immer mit dem großen Vorsitzenden Mao", steht da, obwohl der nun wirklich nichts mit der Mauer zu tun hat.

Guttenberg spricht von einer "gewaltigen Dimension" und einem "großen Erlebnis". Er ist zum ersten Mal auf der Mauer. Bei seinem letzten China-Besuch hat der enge Zeitplan den Ausflug nicht zugelassen. Hier und da lässt sich der CSU-Politiker von einem Führer kurz etwas erklären. Zum Beispiel, dass der mehr als 6000 Kilometer lange Wall zwar kaum zu überwinden war, aber im entscheidenden Moment korrupte Söldner gegen Bestechungsgelder die Tore öffneten. "Ein Schutzwall ist eben nur so gut wie die Soldaten, die ihn bewachen", sagt der Fremdenführer.

Unter "Erlöser" ging nichts mehr

Nach 20 Minuten geht es mit der Seilbahn wieder ins Tal. Guttenberg muss zum nächsten Termin in die deutsche Botschaft. In der Nacht hat er nur eineinhalb Stunden geschlafen. Sein Flieger, der mehr als 20 Jahre alte Airbus "Konrad Adenauer", hatte eine Panne - wieder einmal. Mit mehr als drei Stunden Verspätung hob die Guttenberg-Delegation in Berlin ab, nachts um halb drei war sie im Pekinger Hotel, gut drei Stunden später gab es Frühstück. Trotzdem sieht man dem Minister den Jetlag nicht an.

Er ist eigentlich gut aufgelegt auf dieser Reise, die ihn neben China auch noch in die Mongolei führen wird. Turbulente Wochen liegen hinter ihm. Die Medienbegeisterung über seine Person hat sich kontinuierlich nach oben geschraubt. Zuletzt, auf dem Höhepunkt, war sie gar in religiöse Sphären abgedriftet. "Erlöser", "Heilsbringer" oder "Retter" wurde Guttenberg genannt. Darunter ging nichts mehr.

Guttenberg statt Wehrpflicht

Hat es eine solch einhellige Ekstase im politischen Journalismus in Deutschland in den letzten 60 Jahren überhaupt schon mal gegeben? Und seine Partei? Die CSU interessierte sich am vergangenen Wochenende gar nicht mehr für das Aussetzen der Wehrpflicht, obwohl damit doch angeblich einer ihrer Markenkerne zerschmettert wurde. Beim Parteitag in München ging es um die Frauenquote, um Parteichef Horst Seehofer und - um das Phänomen Guttenberg. Die Wehrpflicht war schon Vergangenheit.

Für den Verteidigungsminister geht es um Inhalte.

Für den Verteidigungsminister geht es um Inhalte.

(Foto: dpa)

Jetzt ist der Minister einige tausend Kilometer entfernt und will von dem Hype nichts mehr hören. Als ihn ein Journalist im Flugzeug darauf anspricht, versteinert sein Gesicht, seine Augenlider zucken, er nimmt eine Haltung ein, als wenn sich gerade jemand in Stellung bringen würde, um ihm ins Gesicht zu springen. Dabei erkundigt sich nur einer vorsichtig danach, was es mit seinem Erfolg und seiner Beliebtheit auf sich hat. Verkehrte Welt.

Jubel-Attacken auch im Ausland

Die positive Berichterstattung über ihn hat Guttenberg so geärgert, dass er sich in einem Gespräch mit dem "Spiegel" sogar dazu hinreißen ließ, sie als "völligen Scheiß" zu bezeichnen. Er ist eigentlich im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht derjenige, der in Hintergrundgesprächen gerne Kraftwörter verwendet. Aber an dieser Stelle musste das wohl mal raus.

Jetzt ist der 38-Jährige in China und will sich endlich nicht mehr mit seiner eigenen Person und seinen Karrierechancen, sondern mit Inhalten beschäftigen. Er ist jetzt wieder Verteidigungsminister und nicht "Kanzlerkandidat" oder "Kronprinz" - eigentlich. Als er in der deutschen Botschaft ankommt, ruft jemand: "Der Kanzler kommt." Es verfolgt ihn also doch bis hierher. Sogar CNN hatte in den letzten Tagen eine Guttenberg-Story, da darf man sich nicht einbilden, dass man im Ausland vor Jubel-Attacken sicher sei.

In seinem Element

Guttenbergs Rede hat den etwas steifen Titel "Strategische Herausforderungen im 21. Jahrhundert: Perspektiven für China, Deutschland und Europa". Der Minister spricht über die deutsch-chinesische Partnerschaft, über die NATO und Cyber-Attacken, über den Afghanistan-Einsatz und den Kampf gegen Piraten. Er spricht Englisch, weil es ein internationales Publikum ist und es in der Botschaft keine Simultanübersetzung gibt.

Sein Englisch ist fast perfekt, nahezu akzentfrei. Guttenberg ist in seinem Element - als Sicherheits- und Außenpolitiker, also ein wenig über den Tellerrand des Verteidigungsministers hinaus. Zum Schluss sind ein paar Fragen zugelassen. Keiner will etwas über ihn selbst, Merkel und Seehofer wissen - oder keiner traut sich zu fragen. Guttenberg ist das recht so.

Am Nachmittag schreitet er stilsicher mit dem chinesischen Verteidigungsminister die Ehrenformation vor dessen bombastischem Ministerium ab. Im Hintergrund wehen rote Fahnen. Am Mittwoch ist Guttenberg dann noch im Allerheiligsten der chinesischen Staatsmacht zu Gast, in der Großen Halle des Volkes am Platz des Himmlischen Friedens. Der Vizepräsident Xi Jinping empfängt ihn. So wie es im Moment aussieht, wird der 57-Jährige den Staatspräsidenten Hu Jintao 2012 ablösen. In den Medien wird er bereits als "Kronprinz" bezeichnet - so wie Guttenberg.

Quelle: ntv.de, Michael Fischer, dpa

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