Umbruch der Gesellschaft Gysi fühlt Unruhe
26.12.2007, 09:39 UhrDurch massive soziale Ungerechtigkeiten steht Deutschland nach Einschätzung des Linke-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi vor einem Umbruch. Zwar sei der Widerstandsgeist der Deutschen im Vergleich etwa zu den Franzosen begrenzt, sagte Gysi. "Aber es ist Unruhe in der Gesellschaft." Der Sozialstaatskompromiss sei aufgekündigt und ein "grober Kapitalismus" eingeführt worden. "Das hat Folgen. Die Menschen wissen, dass etwas nicht stimmt im Land."
Die sozialen Verhältnisse der DDR wirkten nach, meinte Gysi. "Der Abstand zwischen Arm und Reich war damals nicht so groß. Heute liegen zwischen einer allein erziehenden Sozialhilfeempfängerin und dem Chef der Deutschen Bank eine Million Welten." Die soziale Frage sei durch die Linke in den Mittelpunkt gerückt worden; inzwischen komme der Druck aus der Mitte der Gesellschaft.
"Der Zeitgeist ändert sich." Daran komme keine Partei mehr vorbei. Bester Beweis sei die Vereinbarung zum Post-Mindestlohn, mit der Union und SPD sogar eine Entscheidung gegen den Axel-Springer-Konzern getroffen hätten. "Im Wahlkampf 2005 ist uns die Forderung nach dem Mindestlohn noch als ökonomischer Unsinn vorgehalten worden."
Zur Kasse gebeten
Gysi sagte, bundesweit werde nun vor allem die Mittelschicht über die Einkommensteuer und die Beitragsbemessungsgrenze zur Kasse gebeten. Der Grund: "Den Armen kann man nichts mehr nehmen und an die Reichen traut man sich nicht ran."
Im Jahr 2007 habe die Linke nachweislich Themen gesetzt. "Wenn wir bei den Landtagswahlen 2008 in einem der Flächenländer über die Fünf- Prozent-Hürde kommen, haben wir die BRD aber kulturell verändert." Die Kluft zwischen Ost und West im vereinten Deutschland werde jedoch so lange bleiben wie Ungleichbehandlung fortbestehe.
Dazu gehöre, dass Rentnern für gleiche Lebensleistung nicht die gleiche Rente und Arbeitnehmern für gleiche Arbeit nicht der gleiche Lohn gezahlt werde. "Ich hatte gehofft, dass die nächste Generation es schafft, die Einheit zu vollziehen." Aber auch die, die zur Zeit der Wende 12 Jahre alt waren, würden heute im Osten etwa bei den Löhnen finanziell benachteiligt. "Dafür gibt es keinen Grund mehr." Das erschwere aber das Zusammenwachsen.
Quelle: ntv.de