Politik

CDU setzt auf SPD-Abweichler Hängepartie in Kiel

Der Kieler Landtag debattiert zwar heute über seine Auflösung, abgestimmt wird aber erst am Montag. Die notwendige Mehrheit ist nicht in Sicht, weil die SPD nicht zustimmen will, geschlossen, wie behauptet wird. Allerdings: Erinnerungen an 2005 werden wach.

Ruhe vor dem Sturm im Kieler Landtag.

Ruhe vor dem Sturm im Kieler Landtag.

(Foto: dpa)

Für die CDU in Schleswig-Holstein steht das Ende der Koalition mit der SPD endgültig fest. Es gebe keine Möglichkeit mehr, die Zusammenarbeit fortzusetzen, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) in Kiel. Er machte erneut den SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner für das Scheitern des schwarz-roten Bündnisses verantwortlich.

Allerdings zeichnete sich angesichts des Widerstandes der SPD bisher nicht ab, dass die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für eine Parlamentsauflösung erreicht wird. CDU und die Opposition wollen Neuwahlen am 27. September parallel zur Bundestagswahl. Union und FDP forderten die SPD auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Landtag stimmt am Montag ab

Die Entscheidung darüber fällt nun erst am Montag. Darauf einigte sich der Ältestenrat, nachdem zunächst dieser Freitag vorgesehen war. Grund für die Verschiebung sind verfassungsrechtliche Bedenken, wonach eine erfolgreiche Abstimmung am Freitag gegen die vorgegebene 70-Tage-Frist bis zum angestrebten Neuwahltermin verstoßen könnte. Nun wird am Freitag zwar über eine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode debattiert, aber erst am Montag abgestimmt. "Wir werden auf jeden Fall Neuwahlen herbeiführen - wie, entscheiden wir am Montag", sagte CDU-Fraktionschef Johann Wadephul.

Der Landtag beschloss einstimmig, über seine Auflösung zu entscheiden. Der Neuwahl-Initiative schloss sich die Opposition aus FDP, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) an. Die CDU will - ebenso wie nach der Bundestagswahl in Berlin - eine Regierung mit der FDP bilden. Regulärer Termin für die Landtagswahl wäre der 9. Mai 2010.

Zur Auflösung werden SPD-Stimmen gebraucht

Regierungschef Carstensen will keine Große Koalition mehr und daran lässt er nicht rütteln.

Regierungschef Carstensen will keine Große Koalition mehr und daran lässt er nicht rütteln.

(Foto: AP)

Die CDU-Fraktion hatte am Mittwoch auf Vorschlag Carstensens beschlossen, die seit langem in der Krise steckende Koalition zu beenden. Hintergrund sind heftige Konflikte mit Stegner. Dieser kündigte an, die SPD werde geschlossen gegen die Auflösung des Landtags stimmen. Damit würde die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit verfehlt. Dafür werden 46 Stimmen gebraucht - die CDU hat 30, FDP, Grüne und SSW zusammen 10. Die SPD stellt 29 Abgeordnete.

Es geht auch anders

SPD-Landeschef Stegner ist derzeit aber nicht zu einer Neuwahl bereit.

SPD-Landeschef Stegner ist derzeit aber nicht zu einer Neuwahl bereit.

(Foto: AP)

Carstensen hätte bei Verfehlen der Zweidrittel-Mehrheit noch die Möglichkeit, die Vertrauensfrage zu stellen. Dies könnte am kommenden Donnerstag passieren. Denkbar ist auch, dass er die vier SPD-Minister entlässt und mit einer Minderheitsregierung weitermacht.

Auf die Frage nach seinem Vorgehen sagte der Regierungschef: "Wir gucken uns erst einmal die Abstimmung an." Offenkundig hofft die CDU, dass doch nicht alle SPD-Abgeordneten Stegner folgen. Eine Auflösung des Landtags sei die offenste und ehrlichste Weise, mit der schwierigen Situation umzugehen, sagte Carstensen. "Zuerst kommt das Land und dann die Koalition." Den SPD-Vorwurf, er wolle mit der CDU unbedingt Neuwahlen erzwingen, wies Carstensen zurück: "Wenn einer dafür gesorgt hat, dass diese Koalition noch besteht, dann bin ich das gewesen. Wir hätten viel früher Schluss machen können".

Keine Neuwahlen über Rücktritt

Vorgezogene Wahlen über einen Rücktritt herbeizuführen, schließt Carstensen kategorisch aus. Das sei Quatsch, sagte er im ZDF. "Das wird nicht geschehen." Sowohl sein Rivale Stegner als auch SPD-Bundesvorsitzender Franz Müntefering hatten den Ministerpräsidenten zum Rücktritt aufgefordert.

Grüne schließen "Jamaica" nicht aus

Die Sozialdemokraten könnten Neuwahlen nicht verhindern, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki auf NDR Info. Grünen-Landeschef Robert Habeck schloss ein Regierungsbündnis mit CDU und FDP in der "taz" nicht aus. Die Bundesgrünen begrüßten den Bruch von Schwarz-Rot in Kiel als "überfälligen Schritt". Von der HSH Nordbank bis zum "schrottreifen" AKW Krümmel hinterlasse die Regierung ungelöste Probleme, erklärten die Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir.

SPD sieht nur Taktik

Stegner bezeichnete die CDU-Argumente als "vorgeschoben". Er sagte in der ARD, die CDU wolle "ablenken von den Pannen im Atomkraftwerk Krümmel und von skandalösen Millionen-Zahlungen" an den Vorstandschef der krisengeschüttelten HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher. "Das ist nicht redlich." Stegner lehnte "wahltaktische Spielchen" ab.

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering forderte Carstensen zum Rücktritt auf - sofern er "nicht mehr dem Kabinett dieser Koalition vorsitzen will". Müntefering unterstrich: "Die Souveränität für landespolitische Entscheidungen liegt natürlich uneingeschränkt bei der Landespartei und den gewählten Landtagsabgeordneten." Die von der CDU genannten Gründe für den Bruch bezeichnete er als Taktik.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle forderte, Müntefering solle sich einschalten, damit die SPD den Weg für Neuwahlen in Schleswig- Holstein freimacht. "Die SPD soll sich nicht wie eine Klette an der Macht festsetzen. Sie soll nicht aus Angst vor dem Wähler dem Volk die Stimme verweigern." CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, die SPD im Norden sei nicht mehr regierungsfähig. "Die Verantwortung hierfür trägt Herr Stegner."

Tiefe Differenzen in Kieler Koalition

Das seit 2005 bestehende Regierungsbündnis stand bereits mehrfach am Rande des Bruchs. Außer dem zerrütteten Verhältnis zu Stegner gab es auch tiefe inhaltliche Differenzen, zum Beispiel bei der Haushaltskonsolidierung, der Kindergarten-Finanzierung, einer Kreis- und Verwaltungsreform oder in der Energie- und Schulpolitik.

2005 reichte ein Abweichler

Die 2005 an einem Abweichler aus den eigenen Reihen gescheiterte damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) sagte den "Lübecker Nachrichten", ein Ende der Koalition sei den Wählern kaum zu vermitteln. "Einfach zu sagen, wir können nicht mehr miteinander, das ist schwierig." Der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels sprach sich anders als die Landtagsfraktion für eine Neuwahl aus. "Das kann der SPD im Bund wie im Land nützen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP

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