Im Schatten der Cholera Haiti wählt neuen Präsidenten
26.11.2010, 08:42 Uhr
Seit Wochen herrscht Unruhe in Haiti, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
(Foto: REUTERS)
Seit einem Jahr kommt das Land nicht zur Ruhe. Im Januar erschüttert ein gewaltiges Erdbeben Haiti, nun breitet sich die Cholera auf der Insel aus. Manche befürchten erneute Ausschreitungen, wenn die Bevölkerung an die Urne gebeten wird.
Inmitten der Cholera-Epidemie sind die Haitianer am 28. November an die Urnen gerufen, um einen neuen Präsidenten und ein Parlament zu wählen. Die künftige Führung erbt ein Land, das seit Wochen unter der Epidemie ächzt und mit den Folgen des schweren Erdbebens vom Januar kämpft. Während einige auf die große Wende für den bitterarmen Karibikstaat hoffen, befürchten die Behörden massiven Wahlbetrug. Im Wahlkampf war es bereits zu schweren Auseinandersetzungen gekommen und auch wegen der Cholera erlebte das Land eine Gewaltwelle. Am Wahltag wird daher erneutes Chaos befürchtet.
Forderungen nach einer Verschiebung der Wahlen seitens mehrerer Kandidaten fanden kein Gehör: Am 28. November wird über einen Nachfolger für den amtierenden Staatschef René Préval abgestimmt, der nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten darf. Außerdem stehen alle 99 Mandate des Abgeordnetenhauses und elf der 30 Senatorensitze zur Wahl. Mehr als 12.000 Mitglieder der UN-Mission MINUSTAH und 9000 haitianische Polizisten überwachen den Urnengang.
Stichwahl schon jetzt geplant
Insgesamt 18 Kandidaten bewerben sich um Prévals Nachfolge. Gute Chancen, Haitis erste Präsidentin zu werden, hat die Oppositionelle Mirlande Manigat, die in Umfragen auf 36 Prozent der Stimmen kommt. An zweiter Stelle steht Jude Célestin von der Regierungspartei mit 20 Prozent. Spannend dürfte auch das Abschneiden des Sängers Michel Martelly alias „Sweet Micky“ werden. Da es unwahrscheinlich ist, dass einer der Kandidaten auf Anhieb die erforderliche 50-Prozent-Hürde nimmt, ist für den 16. Januar 2011 eine Stichwahl geplant.
Insgesamt 4,7 Millionen Haitianer sind zu den Wahlen aufgerufen. Doch die meisten haben ganz andere Probleme: Seit dem Ausbruch der Cholera Mitte Oktober starben bereits mehr als 1500 Menschen, zehntausende wurden wegen der Krankheit behandelt, die sich immer weiter ausbreitet. Besonders in den vielen provisorischen Lagern, die nach dem Erdbeben errichtet worden waren, ist die Lage kritisch. Durch das Beben starben Anfang Januar rund 250.000 Menschen.
Wahlbetrug prognostiziert
Schatten auf den Urnengang werfen Warnungen vor Wahlbetrug, der als ausgemacht gilt. „Ich glaube, es wird überall zu Wahlbetrug kommen“, sagte der Leiter der Registrierungsbehörde, Philippe Augustin. „Wir brauchen eine massive Wahlbeteiligung, viele Beobachter und Journalisten.“
Zuversicht verbreitet unterdessen die UN-Truppe MINUSTAH. Obwohl bei Zusammenstößen zwischen Anhängern rivalisierender Kandidaten und Protesten gegen UN-Soldaten, die viele für den Ausbruch der Cholera verantwortlich machen, vor der Wahl mehrere Menschen ums Leben kamen, ist die MINUSTAH überzeugt, dass der Urnengang in einem „ruhigen und friedlichen Klima“ ablaufen wird. MINUSTAH-Chef Edmond Mulet räumte aber ein, dass die Wahl eine „logistische und sicherheitspolitische Herausforderung sei“.
Oppositionelle kämpft für Wandel
Angesichts der seit dem Erdbeben in Trümmern liegenden Regierungsgebäude, einer zerrissenen politischen Klasse und der geschundenen Bevölkerung erscheinen die Aufgaben für die neue Führung schier übermenschlich. Doch die 70-jährige Manigat gibt sich so kämpferisch wie zuversichtlich: „Die Haitianer wollen keine Kontinuität. Sie wollen den Wandel, einen Bruch mit der Vergangenheit.“
Quelle: ntv.de, Stéphane Jourdain; AFP