"Märtyrer oder Sieger" Hamas-Führer zeigt sich
30.01.2009, 19:13 UhrErstmals seit dem israelischen Bombardement des Gazastreifens ist ein ranghoher Hamas-Führer wieder öffentlich aufgetreten. Chalil al-Hajja sagte auf einer Kundgebung von Hamas-Anhängern, die Gruppe habe im Krieg einen Sieg errungen und führe jetzt einen politischen Kampf. "Wir haben versprochen, aus dem Krieg als Märtyrer oder als Sieger hervorzugehen", sagte er. Jetzt seien sie alle Sieger.
In dem dreiwöchigen Krieg starben rund 1300 Palästinenser. Mehr als 4000 wurden verwundet. Israel verlor drei Soldaten. Drei Zivilisten starben bei Raketenangriffen der Hamas in Israel. Israel begründete sein Vorgehen mit den ständigen Hamas-Raketenangriffen auf den Süden des Landes.
Hajja sicherte den Hamas-Anhängern zu, dass der Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser kommen werde. "Macht euch darüber keine Sorgen", sagte er. Die Hamas-Regierung werde ihren Angestellten auch alle Gehälter bezahlen. An die Kämpfer richtete er den Appell: "Legt eure Waffen nicht weg, gebt die Schützengräben nicht auf." Er versprach, "dass die Anführer des siegreichen Kampfes nun den politischen Kampf führen".
Keine Machtübernahme im Westjordanland
Hajja bekräftigte die Hamas-Forderung nach einem Gefangenenaustausch. Dabei müssten Hunderte in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen. Nur dann würde der 2006 verschleppte israelische Soldat Gilad Schalit freigelassen. Israel lehnt eine Öffnung der Grenzen zum Gazastreifen ab, solange Schalit noch in der Gewalt der Hamas ist.
Der mit der Hamas verfeindete Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schloss indes eine Machtübernahme der Islamisten in dem von seiner Autonomiebehörde (PA) kontrollierten Westjordanland aus. Eine Machtergreifung durch die Hamas, wie sie im Juni 2007 im Gazastreifen erfolgt war, "werden wir nicht zulassen", sagte Abbas auf einer Pressekonferenz mit dem slowenischen Staatspräsidenten Danilo Türk in Ramallah. In Gaza habe man vor anderthalb Jahren "eine militärische Auseinandersetzung" mit der Hamas vermeiden wollen, fügte Abbas hinzu.
Mitchell in Jerusalem
Unterdessen hat der neue amerikanische Nahost-Sondergesandte George Mitchell in Jerusalem den israelischen Oppositionsführer Benjamin Netanjahu getroffen. Der Politiker, dessen rechtsgerichteter Likud-Partei gute Chancen auf einen Sieg bei der Parlamentswahl am 10. Februar eingeräumt werden, habe Mitchell zugesichert, die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern fortzuführen, sollte er Regierungschef werden. Zugleich erklärte Netanjahu nach israelischen Medienberichten, dass dabei allerdings die israelischen Sicherheitsinteressen "Vorrang" haben würden.
Mitchell warnte vor möglichen Rückschlägen im regionalen Friedensprozess. "Die tragische Gewalt im Gazastreifen und im Süden Israels werfen ein ernüchterndes Schlaglicht auf die äußerst ernsthaften und schwierigen Herausforderungen und unglücklicherweise auch auf die Rückschläge, die uns bevorstehen", sagte er beim Besuch eines Lagerhauses des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA in Jerusalem.
Mitchell war am Dienstag zum ersten Mal in der Region eingetroffen, seitdem ihn US-Präsident Barack Obama in der Vorwoche zum US-Sondergesandten für den Nahen Osten ernannt hatte. Er hatte Gespräche mit den Regierungsspitzen in Kairo, Jerusalem und Ramallah geführt. Dabei hatte er sich vor allem für eine Festigung der brüchigen Waffenruhe im Gazastreifen und für eine kontrollierte Öffnung der Grenzen zu dem Palästinensergebiet eingesetzt.
EU fordert Grenzöffnung
Die Entwicklungshilfeminister der EU haben Israel aufgefordert, die Grenzübergänge zum Gazastreifen zu öffnen. Es müssten mehr Lastwagen und kommerzielle Güter sowie Hilfspersonal in den Gazastreifen gelassen werden, hieß es in einer Mitteilung zum Abschluss des informellen EU-Entwicklungshilferats in Prag weiter. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft wies auf die Gaza-Hilfskonferenz hin, die in Ägypten stattfinden soll. Nach bisherigen Schätzungen sind durch die israelische Offensive im Gazastreifen Schäden von bis zu 1,5 Milliarden Euro entstanden. Die EU hatte zuletzt 32 Millionen Euro Soforthilfe für den Gazastreifen bereitgestellt.
Ägypten verhaftet Tunnel-Schmuggler
Ägypten hat derweil nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwei bewaffnete Palästinenser festgenommen, die über einen Tunnel aus dem Gazastreifen ins Land gekommen waren. Die Schmuggler seien sofort beim Verlassen des Tunnels im Grenzgebiet bei Al-Barahma gefasst worden, hieß es. Die Sicherheitskräfte suchten nach sieben weiteren Palästinensern. Die Tunnel entlang der Grenze waren eines der Hauptziele der israelischen Armee während des jüngsten Kriegs. Durch die Gänge werden Waffen, aber auch Lebensmittel und Treibstoffe geliefert.
Quelle: ntv.de