Israel forciert Angriffe Hamas-Minister getötet
15.01.2009, 19:06 UhrDer Innenminister der Hamas-Regierung im Gazastreifen, Said Siam, ist bei einem israelischen Luftschlag getötet worden. Dies berichtete eine der radikalislamischen Palästinenserorganisation nahestehende Webseite. Siam gehörte zum inneren Führungskreis der Hamas und ist bislang das ranghöchste Mitglied der Organisation, das seit Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen getötet wurde. Ihm unterstanden rund 13.000 Polizisten und Sicherheitskräfte.
Nach Augenzeugenangaben starb Siam bei einem Angriff auf das Haus seines Bruders Salah Abu Schreh in der Stadt Gaza. Auch Abu Schreh, der als Untergebener des Innenministers die Sicherheitskräfte der Organisation leitete, wurde bei dem Luftschlag getötet, wie ein Radiosender der radikalen Organisation Islamischer Dschihad weiter berichtete. Bei dem Angriff wurde nach Angaben des arabischen Senders Al Dschasira auch ein Sohn Siams getötet.
Zeitgleich mit forcierten internationalen Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen hat das israelische Militär zudem das UN-Hauptquartier in der Stadt Gaza beschossen. Nach Angaben des UNRWA wurde das Gelände des UN-Hilfswerks von zwei Geschossen getroffen. Drei Mitarbeiter seien verletzt worden. Insgesamt hätten rund 700 Palästinenser Schutz bei der UN gesucht. Die UN-Hilfsorganisationen stellten vorerst alle Tätigkeiten im Gazastreifen ein.
UNRWA-Sprecher Adnan Abu Hasna sagte, das Hauptquartier sei beschädigt worden, ein Gebäude stehe in Flammen. Auch die Vorräte fingen Feuer. Hunderte Tonnen Hilfsgüter verbrannten demnach. Der große Komplex, in dem die in Gaza aktiven UN-Hilfsorganisationen ihre Büros haben, beherbergt auch ein riesiges Treibstofflager für die UN-Fahrzeuge.
Abu Hasna betonte im israelischen Radio, dass zum Zeitpunkt des Beschusses keine militanten Aktivitäten im Umfeld des UN-Hauptquartiers zu beobachten gewesen seien. Israelische Bodentruppen waren zuvor massiv in Wohngebiete von Gaza vorgedrungen; Panzer standen 1500 Meter vor dem Stadtzentrum.
Ban fordert Rechenschaft
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "empört" über den Beschuss des UNRWA-Quartiers. Er fordere vom israelischen Verteidigungs- und Außenministerium eine detaillierte Erklärung für den Vorfall, sagte er in Tel Aviv. Zudem nannte er die Zahl der palästinensischen Opfer im Gazastreifen "unerträglich". Seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 27. Dezember kamen nach Angaben von Rettungskräften 1070 Palästinenser ums Leben, darunter 335 Kinder und 100 Frauen. Mehr als 5000 weitere Menschen wurden verletzt.
Israel entschuldigte sich inzwischen für den Beschuss des UN-Geländes. Verteidigungsminister Ehud Barak sprach gegenüber Ban von einem "schweren Fehler" und versicherte, dass sich so etwas nicht wiederholen werde.
Explosion in Medien-Hochhaus
Auch der von der Nachrichtenagentur Reuters, den Fernsehsendern Fox, Sky und RTL sowie arabischen Medien genutzte Al-Schuruk-Turm wurde beschossen. Medienvertreter sagten, zwei palästinensische Kameramänner des TV-Senders Abu Dhabi seien verletzt worden. Reuters-Reportern zufolge ging die Detonation offenbar auf den Einschlag einer israelischen Rakete oder Granate im 13. Stock des Hochhauses zurück. Die Redaktion von Reuters ist im Stock darunter untergebracht, die Mitarbeiter verließen das Gebäude. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie vom Dach des Gebäudes Rauch aufstieg.
Der arabische Fernsehsender Al-Arabija unterbrach seine Live-Übertragung. "Unser Gebäude ist getroffen worden, ich weiß nicht, welches Stockwerk, wir bringen uns jetzt in Sicherheit", rief eine Reporterin.
Angst und Panik unter Bewohnern
Im ganzen südlichen Stadtgebiet brennen nach Augenzeugenberichten Wohnungen und Autos. Unter der Bevölkerung in den Hochhäusern im Stadtteil Tell el-Haua ist Angst und Panik ausgebrochen. Menschen rufen von Balkonen um internationale Hilfe. Ambulanzen und Sanitäter können das Gebiet wegen der schweren Kämpfe nicht mehr erreichen. Israelische Panzer rückten auch in zwei weitere Stadtteile von Gaza vor, El Tschudschaija und Seitun, von wo ebenfalls Kämpfe gemeldet wurden. Die Luftwaffe flog zudem Angriffe im Norden des Gazastreifens. Dort wurde nach Angaben von Ärzten eine Mutter mit ihren drei Kindern getötet.
Während die Panzer weiter vorrückten, feuerten militante Palästinenser erneut Raketen auf Israel ab. Nach Angaben der israelischen Armee schlugen am Morgen 14 Raketen in Israel ein; Opfer gab es nicht, in der Stadt Sderot wurde ein Haus beschädigt.
Israel hat in den vergangenen Tagen die Luft- und Bodenangriffe verstärkt, um die radikalislamische Hamas zur Annahme einer Waffenruhe zu zwingen. Die Hamas-Führung wiederum versucht Berichten zufolge, Einzelheiten eines Abkommens noch zu ihren Gunsten zu gestalten. Das betrifft unter anderem den Zeitraum für einen Abzug der israelischen Armee sowie die Öffnung von Grenzübergängen. Strittig ist auch, für welchen Zeitraum die Waffenruhe vereinbart werden soll.
Quelle: ntv.de