Steinmeiers Friedensmission Harte Worte aus Georgien
17.07.2008, 22:27 UhrMit harten Schuldzuweisungen gegen Russland und die Führung der abtrünnigen Region Abchasien hat Georgiens Präsident Michail Saakaschwili auf Vermittlungsbemühungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier reagiert. Zwar dankte Saakaschwili Steinmeier in der Schwarzmeerstadt Batumi ausdrücklich für das verstärkte deutsche Engagement zur Beilegung der Krise. Zugleich gab er aber Russland die Schuld an der Eskalation, weil Moskau aufgehört habe, die Grenzen Georgiens zu respektieren. Er machte zudem die "sezessionistische" abchasische Führung verantwortlich für die Vertreibung hunderttausender Flüchtlingen aus Abchasien, die ein Recht auf Rückkehr hätten.
Der Vize-Kanzler hatte Saakaschwili und zuvor der georgischen Außenministerin Eka Tkeschelaschwili einen von Deutschland erarbeiten Drei-Phasen-Plan zu Lösung des jahrelangen Territorialstreits vorgelegt. Steinmeiers Amtskollegin würdigte den Vorschlag und sagte: "Der Plan hat sehr großes Potenzial für einen Erfolg." Das Schwierigste werde aber sein, Russland zu überzeugen, eine konstruktive Rolle einzunehmen. Aus Abchasien, wo Steinmeier am Freitag erwartet wurde, kam Widerstand gegen den Plan auf.
Kein Weg aus der Sackgasse
Steinmeier warnte nach dem Treffen, es bestehe weiter die Gefahr, dass die Spannungen eskalierten. " Mein Appell lautet: Brechen Sie aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt aus. Die anhaltende Sprachlosigkeit kann keine Option für die Zukunft sein." Steinmeier bekräftigte zugleich: "Wir stehen zur territorialen Integrität Georgiens." Aus Delegationskreisen war nach dem Treffen in Saakaschwilis Sommerresidenz von "schwierigen Gesprächen" die Rede. Es sei erneut deutlich geworden, dass die Positionen der Parteien noch deutlich auseinander lägen.
Der auch im Kreis der von Deutschland koordinierten UN-"Freundesgruppe Georgiens" (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA und Russland) bekannte Plan soll den Rahmen für Direktgespräche abstecken. Er sieht zunächst einen Gewaltverzicht vor. Zudem soll der Weg für die Rückkehr der rund 250.000 Flüchtlinge von Georgien nach Abchasien frei gemacht und der wirtschaftliche Wiederaufbau angegangen werden. Am Schluss steht die Klärung der Statusfrage Abchasiens.
Abchasien stellt sich quer
Der Außenminister der international nicht anerkannten Republik Abchasien, Sergej Schamba, sagte in Suchumi, man wolle mit Steinmeier nicht über den völkerrechtlichen Status sprechen. Abchasien sieht sich selbst als unabhängigen Staat. Voraussetzung für jegliche Verhandlungen sei ein Abzug der georgischen Truppen aus dem Kodori-Tal, das die Grenze zu Georgien bildet, sagte Schamba.
Georgier und die Separatisten werfen sich gegenseitig eine gezielte Eskalation der Lage vor. Saakaschwili ist der Auffassung, dass die jüngste Eskalation darauf zurückzuführen ist, dass die NATO Georgien eine konkrete Beitrittsperspektive wegen der ungeklärten Territorialfrage bis auf weiteres verweigert hat. Dieses Argument habe die Separatisten angestachelt, die Spannungen weiter zu schüren.
Gespräche in Suchumi und Moskau
Am Freitag ist in der abchasischen Hauptstadt Suchumi ein Treffen Steinmeiers mit dem selbst ernannten Präsidenten Sergej Bagapsch geplant; Steinmeier fliegt auf ausdrücklichen Wunsch Georgiens und mit Duldung Moskaus in die Konfliktregion. Die abchasische Führung hatte schon vorab sehr deutlich ihre Skepsis zum Ausdruck gebracht und dem Plan eine Abfuhr erteilt. "Der Plan in seiner derzeitigen Form ist für uns inakzeptabel", sagte Bagapsch. Er machte zugleich klar, dass er mit niemandem über einen Autonomiestatus seines Gebietes zu verhandeln gedenke. "Wir bauen einen unabhängigen, demokratischen Staat auf", verkündete er.
Noch am selben Tag fliegt der deutsche Außenminister nach Moskau weiter, um dort mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammenzukommen. Unmittelbar vor der Steinmeier-Reise erörterte Lawrow den Kaukasus-Konflikt mit seiner US-amerikanischen Amtskollegin Condoleezza Rice. Bei einem Telefonat zwischen Lawrow und Rice am Mittwoch sei besonders auch der Streit um Abchasien zur Sprache gekommen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf das Außenministerium in Moskau.
In Moskau kritisierte Lawrow die westliche Herangehensweise an den Abchasien-Konflikt. Die Rückkehr georgischer Flüchtlinge nach Abchasien sei ein äußerst schwieriges Problem und dürfe nicht zur Voraussetzung für eine Einigung zwischen den zerstrittenen Seiten gemacht werden, sagte er. Abchasien muss fürchten, dass mit einer Rückkehr der Flüchtlinge vielerorts wieder Georgier die Bevölkerungsmehrheit bilden.
Gefechte und Bomben seit Wochen
Nach Ansicht des russischen Politologen Wladislaw Below ist der deutsche Außenminister der richtige Mann zur rechten Zeit im Kaukasus. "Steinmeier genießt in der Region den Ruf eines ausgewogenen Politikers", sagt der Direktor des Zentrums für Deutschlandforschung am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Das Verhältnis zwischen Georgiern und Separatisten sei zerrüttet. "Steinmeiers Rolle wird sein, die Kontrahenten überhaupt erst wieder zu Verhandlungen zu bewegen", meint Below. Für die EU wächst die Bedeutung Georgiens als Transitland für Öl und Gas aus dem Kaspischen Meer, mit deren Hilfe man die Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren will.
Abchasien hatte sich 1992 für unabhängig erklärt. Wirtschaftlich ist die Region von Russland abhängig, das eine 3000 Soldaten starke Friedenstruppe in Abchasien unterhält. Der Sekretär des georgischen Sicherheitsrats, Kacha Loma, forderte den Abzug der Russen aus zwei abchasischen Bezirken und ihre Ablösung durch europäische Polizisten.
Auch die Region Südossetien spaltete sich nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre in Bürgerkriegen von Georgien ab. Russland unterstützt die Unabhängigkeitsbemühungen beider Regionen zum großen Unmut Georgiens. Es kommt immer wieder zu Scharmützeln mit Toten und Verletzten zwischen der georgischen Armee und Separatisten. Abchasien und Südossetien sind international nicht anerkannt.
Quelle: ntv.de