Erst 5, dann 8 Euro Hartz-IV-Lösung scheint möglich
20.02.2011, 16:53 UhrVertreter von Bund und Ländern verhandeln erneut über die Reform von Hartz IV. Dabei scheint sich eine Mehrheit für den Kompromissvorschlag der Bundesländer abzuzeichnen, der eine zweistufige Anhebung der Regelsätze vorsieht. Nur die FDP sperrt sich noch.
Im Tauziehen um Hartz IV zeichnete sich unmittelbar vor einer neuen Gesprächsrunde eine Einigung ab. Dem Vernehmen nach wollen CDU und CSU einer Anhebung des Regelsatzes um insgesamt 8 Euro in zwei Schritten nun doch zustimmen - und damit 3 Euro mehr als vorgesehen. Kanzlerin Angela Merkel hatte einen Extra-Zuschlag bis zuletzt abgelehnt.
Noch am Freitag warnte sie vor einer überhasteten Lösung. "Ja meinetwegen können wir fertig werden. Aber ich kann nicht einfach um des Fertigwerdens fertig werden", sagte Merkel bei einer Wahlveranstaltung in Tübingen. "Die Menschen wollen keine Taktiererei und keinen nur noch taktischen Schlagabtausch, der nicht endet", sagte dagegen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der "Welt am Sonntag".
Kompromiss der Länder
An dem heutigen Treffen nehmen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, SPD-Vize Manuela Schwesig sowie die Spitzen der Parteien und Fraktionen teil, ebenso die Ministerpräsidenten Kurt Beck, Wolfgang Böhmer und Horst Seehofer.
Die drei Länderchefs hatten einen Kompromissvorschlag vorgelegt, den Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger von derzeit 359 Euro nicht nur um fünf, sondern um acht Euro monatlich anzuheben. In diese neue Berechnung wurde die Kostenentwicklung des ersten Halbjahres 2010 eingerechnet. Als Alternative und möglicher Weg zu einer einvernehmlichen Lösung war eine Anhebung in zwei Schritten um 5 und 3 Euro im laufenden Jahr ins Gespräch gebracht worden. Die Neuberechnung des Regelsatzes ist seit 1. Januar überfällig.
Von der Leyen sagte kurz vor Beginn der Gespräche, sie erwarte schwierige Verhandlungen. Sie hoffe, dass die Opposition "auf dem Teppich" bleibe. Es gehe nicht um ein "Wunschkonzert". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Wir erwarten jetzt, dass die Koalition Sorge für einen Kompromiss trägt". Nachdem bei der Berechnung von Seiten des Bundesarbeitsministeriums "Rechenfehler offenkundig geworden sind", erwarte sie von der Regierung Bewegung in diesem Punkt.
FDP bleibt sturr
Kanzlerin Merkel hatte allerdings vor einer zu starken Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes gewarnt. "Solidarität und Sozialpolitik müssen immer so ausgerichtet sein, dass Anreize für Arbeit bestehen, dass es sich noch lohnt zu arbeiten", sagte Merkel. Der Ruf nach höheren Regelsätzen sei deshalb "der falsche Ansatz".
Die Kanzlerin dürfte dabei auch um ihren Koalitionsfrieden bangen. Denn vor allem die FDP sperrt sich gegen eine Anhebung der Regelsätze. So stellte sich FDP-Chef Guido Westerwelle erneut gegen den von Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ausgehandelten Kompromissvorschlag. Die Ministerpräsidenten könnten nicht über das Geld des Bundes verfügen, sagte er der "Frankfurter Rundschau". Er kenne auch keine neuen Gründe, die es rechtfertigen würden, von der Regelsatz-Berechnung der Regierung abzuweichen. Dagegen zeigte sich Westerwelle beim Bildungspaket für bedürftige Kinder verhandlungsbereit.
BA-Chef droht mit Rücktritt
Überschattet wurden die Verhandlungen von einer indirekten Rücktrittsdrohung des Vorstandschefs der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise. Er wehrt sich dagegen, dass die BA für finanzielle Zugeständnisse des Bundes an die Kommunen bei den Hartz-IV-Gesprächen zur Kasse gebeten werden soll.
BA-Chef Weise liegt mit der schwarz-gelben Bundesregierung nicht zuletzt wegen ihres Hartz-IV-Kurses über Kreuz. Er habe indirekt sogar mit seinem Rücktritt gedroht, berichtet "Der Spiegel". Auf Regionalkonferenzen habe er vor Führungskräften der BA Wochen erklärt, der Vorstand sei nicht bereit, eine Organisation zu führen, die dauerhaft rote Zahlen schreibe. Eine BA-Sprecherin bestätigte Weises Äußerungen.
Auf die Frage, ob dies als indirekte Rücktrittsäußerung zu werten sei, sagte die Sprecherin: "Ich kann verstehen, wenn man die Äußerung so sieht". Zu Weises Unmut hat nach Einschätzung des "Spiegel" der sich abzeichnende Kompromiss im Hartz IV-Streit beigetragen. Danach will der Bund zur Entlastung der Kommunen schrittweise die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung übernehmen. Im Gegenzug halbiert er seinen Zuschuss an die BA schrittweise auf etwa vier Milliarden Euro. Mit der Zuwendung stabilisiert der Bund seit 2006 die BA-Finanzen.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP