Rohdiamant Reformpaket Hartz auf Gesprächssuche
31.07.2002, 00:05 UhrDen Streit um das geplante Reformkonzept für den Arbeitsmarkt will der Leiter der Regierungskommission, der VW-Manager Peter Hartz, durch Gespräche mit Parteien und Verbänden schlichten.
Dies kündigte Hartz am Mittwoch in Berlin nach einer weiteren Sitzung der Kommission an. Er reagierte damit offenbar auf Kritik vor allem der Arbeitgeber. Umstritten sind unter anderem die Ausweitung von geförderten Billigjobs und Einschnitte bei Arbeitslosengeld und -hilfe.
Hartz zeigte sich trotzdem zuversichtlich, dass die Kommission am 16. August einen realistischen und effizienten Abschlussbericht vorlegen wird.
Bei der Sitzung am Mittwoch wurde laut Hartz ein erster Reformentwurf als „Rohdiamant“ vorgelegt. Hartz geht allerdings davon aus, dass die Kommission noch Nachtsitzungen einlegen muss. Auch will sich die Kommission noch stärker mit der Förderung von strukturschwachen Regionen in Ost und West beschäftigen. Die nächste Sitzung ist für den 8. und 9. August geplant.
Die Regierungskommission, der 15 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft angehören, will am 16. August ihr Abschlusskonzept vorlegen.
Offene Posten
Unklar ist noch, ob sie sich auf ein gemeinsames Konzept einigen kann. Die Arbeitgeber bestehen darauf, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes massiv verkürzt wird. Auch soll die Arbeitslosenhilfe in der Sozialhilfe aufgehen. Dies lehnen die Gewerkschaften ab.
Umstritten sind auch Vorschläge aus der Kommission, den Niedriglohnbereich auszuweiten. Danach soll die Verdienstgrenze für geförderte Minijobs von heute 325 auf 500 Euro steigen. Statt bisher 22 Prozent sollen nur noch zehn Prozent Sozialabgaben anfallen.
Mediengemunkel
Nach Informationen der „Frankfurter Rundschau“ präsentierte Hartz der Regierungskommission bei der Sitzung am Mittwoch einen „Rohentwurf“, der staatliche Zuschüsse für Jobs von einem monatlichen Bruttoeinkommen von 501 bis 1000 Euro vorsehen soll.
Diese Zuschüsse zu den Sozialversicherungsabgaben sollen demnach um so geringer ausfallen, je näher sich die Einkommen der oberen Schwelle nähern. Bis zu einem Einkommen von 500 Euro, die Hartz Minijobs nannte, solle pauschal ein Sozialversicherungsbeitrag von zehn Prozent auf das steuerfreie Einkommen fällig sein. Der Zugang zu diesen Minijobs solle stark eingegrenzt werden und nur im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen wie Kinderbetreuung oder Putzen erlaubt sein, berichtet das Blatt weiter.
Mittelstand sieht Potenzial für 400.000 Jobs
Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft hält bis zu 400.000 neue Jobs im Niedriglohnsektor für möglich. Der Präsident des Verbands, Mario Ohoven, sprach sich daher dafür aus, die Förderung solcher Stellen massiv auszuweiten. "Bei Löhnen zwischen 322 und 920 Euro gibt es derzeit so gut wie keine Beschäftigung", sagte er im Deutschlandradio Berlin. Diese Jobs müssten daher durch Zuschüsse zu den Sozialbeiträgen attraktiver gemacht werden.
Buhlte Schröder um Hartz?
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) soll Hartz persönlich gefragt haben, ob er als "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit bereit stünde. Hartz habe das Angebot jedoch abgelehnt, berichtet die Tageszeitung "Die Welt ". Am Dienstag hatten Regierung und SPD-Fraktion Berichte, der VW-Manager solle ins Kabinett berufen werden, als "abwegige Spekulationen " zurückgewiesen.
Quelle: ntv.de