Zweiter Bildungsbericht Hauptschule fällt durch
12.06.2008, 10:31 UhrDie Hauptschule schafft Probleme, anstatt sie zu lösen. 30 Monate nach Schulende hatten bundesweit 40 Prozent der Hauptschüler noch keinen qualifizierten Ausbildungsplatz gefunden, geht aus dem neuen Bildungsbericht hervor.
Angesichts dieses Befundes fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Abschaffung der Hauptschule. "Die Schüler in den Hauptschulen sind eine Ansammlung von Leuten, die in irgendeiner Form gescheitert sind", sagte GEW-Vizechefin Marianne Demmer gegenüber n-tv.de. "Sie kommen oft aus armen Verhältnissen, haben Familienprobleme, manche sprechen die deutsche Sprache nicht gut. Diese frustrierten jungen Menschen packt man dann alle zusammen in eine Klasse und behauptet, die Hauptschule sei für sie die beste Schulform - das ist absurd."
Der zweite nationale Bildungsbericht legt den Schwerpunkt auf die Übergänge von der Grundschule zur Sekundarstufe, dann zur Ausbildung und schließlich in den Beruf. Der erste nationale Bildungsbericht von 2006 hatte den Schwerpunkt Migration.
"Länger gemeinsam lernen"
Demmer plädiert dafür, die Schüler länger gemeinsam lernen zu lassen. "In welcher Organisationsform man das macht, ist zweitrangig." Sie schlägt vor, Grundschulen länger als nur bis zur vierten Klasse gehen zu lassen oder Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen zu bilden.
Dazu müssten Lehrer in die Lage versetzt werden, auch Klassen zu unterrichten, in denen sowohl schnellere als auch langsamere Kinder sitzen. Dafür sei allerdings mehr Personal nötig, "Lehrerfortbildungen für den Umgang mit leistungsgemischten Klassen, mehr Sozialpädagogen und Psychologen, die mit den Eltern der Kinder zusammenarbeiten, mehr Personal für Schüler mit Rechtschreibschwäche oder Matheschwäche", so Demmer. "In Ländern wie Finnland und Schweden ist das Standard."
Die Politik spart, statt zu investieren
Die Umsetzung eines solchen Konzeptes "wäre relativ leicht zu finanzieren", so Demmer. Das Problem sei, dass im Bildungsbereich gekürzt statt investiert werde.
Laut Bildungsbericht sank der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt zwischen 1995 und 2006 von 6,9 auf 6,2 Prozent. Damit liegt Deutschland unter dem Schnitt der anderen Industriestaaten. "In unseren Etats ist Luft für Bildungsausgaben", sagte Demmer. "Nicht stärker in Bildung zu investieren, ist ein Risiko für die Gesellschaft. Denn man kann davon ausgehen, dass Jugendliche mit schlechter Ausbildung sich später nicht selbst ernähren können, zum Teil kriminell werden und den Staat viel Geld kosten."
Durchlässigkeit nur nach unten
Lediglich drei Prozent der Siebt- bis Neunklässler an Haupt- oder Realschulen schafft laut Bildungsbericht den nachträglichen Sprung auf eine höhere Schulform. Und: "Auf jeden aufwärtsgerichteten Wechsel kommen dabei fast fünf Abwärtswechsel in niedriger qualifizierende Schularten", heißt es in dem Bericht.
Nicht nur mangels Qualität, auch mangels Schülernachwuchs steht das noch aus den 60er Jahren stammende Hauptschulkonzept in einigen Bundesländern vor dem Aus. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg wollen in den nächsten Jahren Hauptschulstandorte auflösen und ihren Bildungsgang in Realschulen, Gemeinschafts-, Regional- oder Stadtteilschulen integrieren. Im Saarland gibt es bereits seit den 80er Jahren keine Hauptschulen mehr. In den neuen Bundesländern wurden nach der Wende weitgehend erst gar keine selbstständigen Hauptschulen mehr eingerichtet.
Dennoch starteten laut Bildungsbericht immerhin 18,9 Prozent der Fünftklässler im Schuljahr 2006/2007 ihre Schullaufbahn in einer Hauptschule. Bundesweit sind dies 134.000 Schüler, davon fast 80.000 allein in Bayern und Baden-Württemberg.
Quelle: ntv.de