"Völkermord an Armeniern" Heftige Reaktion in Ankara
11.10.2007, 07:21 UhrEine Entscheidung des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses für eine Armenier-Resolution wird zur Belastungsprobe der Beziehungen mit der Türkei. Der Ausschuss hatte sich über die eindringliche Warnung von Präsident George W. Bush hinweggesetzt und die Tötung von hunderttausenden Armeniern in der Türkei im Ersten Weltkrieg als Völkermord gebrandmarkt. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül reagierte mit scharfer Kritik. Am Abend berichtete der türkische Fernsehsender NTV, dass die Türkei ihren Botschafter aus Washington zurückruft.
Der Vorwurf des Genozids wird von der Türkei heftig bestritten. Je nach Schätzungen kamen bei den blutigen Massakern zum Ende des Osmanischen Reiches zwischen 200.000 und 1,5 Millionen Armenier ums Leben. Die türkische Regierung hat die Zahlen stets als übertrieben bezeichnet.
Die von dem Ausschuss des Repräsentantenhauses verabschiedete Resolution sei nicht akzeptabel, zitierte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Gül. Politiker in den USA hätten bedeutsame Angelegenheiten für innenpolitische Spielchen geopfert, warnte er. Der mehrheitlich mit Demokraten besetzte Ausschuss hatte mit 27 zu 21 Stimmen für die Vorlage gestimmt. Bush fürchtet wegen der als wahrscheinlich angesehenen Annahme der Resolution im US-Kongress eine Verschlechterung der Beziehungen zum NATO-Partner Türkei.
Auf Grund der Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses wird nun das US-Repräsentantenhaus abstimmen. Auch im US-Senat ist eine entsprechende Resolution geplant. "Die traurige Tatsache ist, dass die heutige Regierung der Türkei sich beharrlich und in aggressiver Weise weigert, (...) den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen", sagte der republikanische Abgeordnete Christopher Smith.
Bush hatte noch kurz vor der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses gewarnt, dass eine Annahme der Resolution "unseren Beziehungen zu einem Kernverbündeten in der NATO und im globalen Krieg gegen den Terror großen Schaden zufügen" würde. US-Verteidigungsminister Robert Gates befürchtet überdies Folgen für die Versorgung der US-Truppen im Irak, da die Türkei ein wichtiges Transitland für Nachschubgüter sei. Außenministerin Condoleezza Rice meinte, es drohten sogar negative Konsequenzen für die Friedensbemühungen der USA im Nahost-Konflikt.
Bush hatte zuvor die damaligen Ereignisse in der Türkei als eine der größten Tragödien des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Allerdings müsse die Geschichtswissenschaft noch klären, ob der Begriff des Völkermords angemessen sei.
Quelle: ntv.de