Clinton: "Assad verdoppelt Brutalität" Milizen tanzen um Leichen
07.06.2012, 19:06 Uhr
Die UN-Beobachter in Syrien sind machtlos.
(Foto: dpa)
Nach dem erneuten Massaker in Syrien gibt es erste Augenzeugenberichte: Milizen fallen demnach über ein Dorf her, ermorden Bewohner und schänden deren Leichen. Als UN-Beobachter zu dem Ort vordringen wollen, werden sie beschossen. Einen Lichtblick in der Situation gibt es: Russland deutet an, seinen Einfluss auf Assad stärker zu nutzen.
Es ist ein Bild des Schreckens, das Einwohner und Oppositionelle aus der Provinz Hama von dem Massaker in Al-Kubeir zeichnen: "Der Boden war bedeckt von verbrannten Körpern von Kindern, Frauen und jungen Mädchen", sagt Laith, ein junger Mann aus einem Nachbardorf, mit zitternder Stimme in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. "Was ich gesehen habe, ist unvorstellbar: Es war ein grauenhaftes Massaker, die Menschen wurden hingerichtet." Ein anderer Augenzeuge, der anonym bleiben wollte, berichtete der Nachrichtenagentur Reuters: "Von den Gebäuden stieg Rauch auf und es gab den furchtbaren Geruch von verbranntem Menschenfleisch."
US-Außenministerin Hillary Clinton warf dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor, "seine Brutalität und seine Falschheit verdoppelt" zu haben. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte bei einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung: "Tausende Syrer wurden getötet und ganze Familien ausgelöscht. Männer, Frauen und selbst Kinder wurden hingerichtet. Jedes Regime, das solche Taten zulässt, hat keine Legitimität mehr." "Wir sind schockiert von einem neuen Massaker in einem Dorf, das von Streitkräften des Regimes umzingelt war. Wir verurteilen diese unaussprechliche Barbarei und fordern eine Bestrafung der Schuldigen." Ban sagte zu dem Massaker an den Zivilisten: "Sie wurden erschossen, einige offensichtlich verbrannt oder mit Messern aufgeschlitzt."
Die Berichte erinnern an das Massaker in der Ortschaft Hula vor einer Woche, bei dem mindestens 108 Menschen starben. Nach Oppositionsangaben starben bei dem neuen Angriff dutzende Einwohner der Dörfer Al-Kubeir und Maasaraf. Laut der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mindestens 49 Opfer aus Al-Kubeir identifiziert. Sechs weitere Menschen wurden demnach in Maasaraf getötet. Die syrische Führung unter Präsident Baschar al-Assad wies die Berichte zurück und sprach von neun Toten bei "terroristischen" Angriffen.
Filmaufnahmen zeigen vekohlte Leichenteile

Auch am Tag nach dem Massaker demonstrierten wieder Hunderte gegen das Assad-Regime.
(Foto: REUTERS)
Die Augenzeugen berichten, dass die Täter der alevitischen Schabbiha-Miliz angehören. Demnach stürmten sie das sunnitische Al-Kubeir am frühen Nachmittag und wüteten bis zum Abend. "Die Menschen aus dem Dorf haben mir erzählt, dass sich die Schabbiha in der Nacht betrunken haben, um die Leichen herumgetanzt sind und Assad gepriesen haben", sagt Laith. Wie andere Quellen nennt auch er Panzer, Granaten, Schusswaffen und Messer als Mordwerkzeuge. Die Aleviten, zu denen auch Assad gehört, besetzen in Syrien viele einflussreiche Posten. Laut Laith gab es in Al-Kubeir seit dem Beginn des Aufstands gegen Assad im März 2011 nie Proteste.
Mehrere Aktivisten sagten Reuters, Al-Kubeir sei zunächst mit heftigem Beschuss eingedeckt worden. Dann seien Kämpfer in das Dorf in der Provinz Hama eingerückt und hätten Dutzende Menschen erschossen und erstochen. Filmaufnahmen, die nach Angaben von Aktivisten in Al-Kubeir entstanden, zeigen in Tücher gehüllte Leichen von mindestens einem Dutzend Frauen und Kindern sowie verkohlte Leichenteile. Ein Bauer aus dem Dorf beschrieb per Telefon ein ohrenbetäubendes Artilleriefeuer.
Russland kommt den USA entgegen
Überprüfen ließ sich bisher keiner der Berichte: Journalisten können sich nicht frei in Syrien bewegen. Aber auch die in dem Land stationierten UN-Beobachter konnten ihrer Arbeit nicht nachgehen. Laut UN-Generalsekretär Ban wurden sie auf ihrem Weg nach Al-Kubeir und Maasaraf beschossen. Ban nannte das Massaker "schockierend und widerwärtig". Bans Kritik dürfte nicht nur Damaskus gelten, sondern auch Russland und China, die ein schlagkräftiges Vorgehen gegen Assad durch UN-Resolutionen bisher mehrfach verhinderten.
Der Augenzeuge Laith berichtet, die Dorfbewohner hätten versucht, die UN-Beobachter zu Hilfe zu rufen, "aber sie sind nicht gekommen." Nach Angaben von UN-Missionschef Robert Mood wurden sie von syrischen Sicherheitskräften unter anderem mit Straßensperren aufgehalten. Der internationale Syrien-Gesandte Kofi Annan drückte vor der UN-Vollversammlung sein "Entsetzen" über das Massaker aus. Bei dem seit 15 Monaten anhaltenden Aufstand gegen Assad sind nach Schätzungen der UN mehr als 9000 Menschen getötet worden. Ein Friedensplan von Annan hat die Gewalt nicht stoppen können.
Die Regierung in Moskau hat im Sicherheitsrat bislang ihre schützende Hand über den arabischen Verbündeten gehalten. Nun signalisiert Russland Zustimmung zu einer Lösung der Krise nach dem Vorbild der Machtübergabe im Jemen. Allerdings müssten das die Syrer selbst wollen, sagte Vize-Außenminister Michail Bogdanow der Nachrichtenagentur Interfax. US-Präsident Barack Obama hatte beim G8-Treffen im vergangenen Monat als Modell für Syrien die Entwicklung im Jemen ins Gespräch gebracht. Dort hatte Präsident Ali Abdullah Saleh im Februar nach Massenprotesten die Macht an eine Übergangsregierung abgegeben.
Quelle: ntv.de, che/AFP/rts/dpa