Ägypten vermittelt Hoffnung auf Waffenruhe
14.01.2009, 16:26 UhrKnapp drei Wochen nach Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen mit bisher über 1000 Toten mehren sich die Anzeichen für eine bevorstehende Waffenruhe. Am Mittwoch ließ die radikalislamische Hamas erstmals erkennen, dass sie bereit sei, die ägyptische Initiative für einen Stopp des Blutvergießens zu akzeptieren. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte vor dem Europaparlament in Straßburg, "in einigen Tagen" könnte eine Waffenruhe erreicht werden. Ein Abkommen sei in Reichweite. An diesem Donnerstag wird Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erneut im Nahen Osten erwartet. In Diplomatenkreisen hieß es, der Konflikt sei in einer "kritischen Phase".
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der in der jordanischen Hauptstadt Amman eintraf, rief Israel und die militanten Palästinenser noch einmal eindringlich zu einer sofortigen Waffenruhe und zur Einhaltung der jüngsten Resolution des Sicherheitsrates auf. Am Donnertag reist Ban nach Israel weiter. Der Nachrichtensender Al- Arabija berichtete, Saudi-Arabien habe für Donnerstag einen Sondergipfel zum Krieg im Gazastreifen nach Riad einberufen. Auch die UN wollen sich auf einer Dringlichkeitssitzung beraten.
Nach Informationen der palästinensischen Nachrichtenagentur Ramattan will die Hamas die ägyptische Initiative für eine Waffenruhe in Nahost annehmen. Die Agentur berief sich dabei auf hochrangige Hamas-Führer im Gazastreifen. Eine offizielle Erklärung der Hamas lag zunächst nicht vor. Die ägyptische Initiative sieht ein Ende des Blutvergießens und eine kontrollierte Öffnung der Grenzübergänge vor, aber auch Garantien für Israel, um Waffenlieferungen für die Hamas zu unterbinden. Die israelische Regierung wollte zügig ihre Position zur ägyptischen Initiative festlegen. Am Donnerstag soll dann der israelische Gesandte Amos Gilad nach Kairo fliegen und die offizielle Antwort überbringen.
Kämpfe gehen weiter
Unterdessen hat die israelische Armee mit mehr als 160 Luftangriffen innerhalb von 24 Stunden den Druck auf die radikalislamische Hamas weiter erhöht. Wie ein Sprecher der Gesundheitsbehörde in Gaza mitteilte, wurden seit dem Beginn der Offensive am 27. Dezember mindestens 1010 Menschen getötet, darunter mehr als 300 Kinder und Jugendliche. Weitere 4650 Personen seien verletzt worden. Davon schwebten rund 400 in Lebensgefahr. Auf israelischer Seite sind bisher zehn Soldaten und drei Zivilisten ums Leben gekommen. Am Mittwoch schlugen erneut 16 Raketen aus dem Gazastreifen auf israelischem Boden ein.
Nach den Worten von UN-Generalsekretär Ban ist es nicht hinzunehmen, dass die Zivilisten die Hauptlast des Konfliktes tragen. "Ich rufe erneut beide Seiten auf, die Kämpfe jetzt zu beenden. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren", sagt Ban nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Staatschef Husni Mubarak. Steinmeier sagte in Berlin: "Wir brauchen einen Einstieg in einen Prozess über eine humanitäre Waffenruhe." Dazu müsse die Hamas versichern, dass sie keine Raketen mehr auf Israel abfeuere, und es müsse eine kontrollierte Öffnung der Grenzübergänge zwischen dem Gazastreifen und Israel geben.
Derweil haben sowohl Israel als auch die radikalislamische Hamas ihre Forderungen für eine Waffenruhe öffentlich gemacht. Die israelischen Minimalforderungen sind nach den Worten von Regierungssprecher Mark Regev "ein vollständiger Stopp jeglichen feindlichen Feuers" sowie ein "funktionierender Mechanismus, der eine Aufrüstung der Hamas verhindert".
Dagegen machte eine Hamas-Delegation während ihrer Gespräche mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Omar Suleiman den Vorschlag, dass Israel nach einer Feuerpause zuerst den Gazastreifen verlässt, bevor dann eine zeitlich begrenzte Waffenruhe in Kraft tritt. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, sollen künftig außer EU-Beobachtern auch türkische Beobachter den internationalen Grenzübergang Rafah zu Ägypten überwachen. Nach Darstellung von Hamas- Politbüromitglied Abu Marsuk hat die militärische Infrastruktur der Hamas trotz der israelischen Militärschläge noch nicht stark gelitten.
Raketen aus dem Libanon
Zuvor hatte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Jakob Kellenberger, die Lage im Gazastreifen als "schockierend" bezeichnet. "Es schmerzt, wenn man diese verletzten Menschen sieht, und die Natur ihrer Verletzungen", sagte Kellenberger nach einem Besuch des Schifa-Krankenhauses in Gazas-Stadt. Er erinnerte alle Seiten an die völkerrechtliche Verpflichtung, den ungehinderten Zugang zu verletzten und notleidenden Zivilisten zu gewähren.
Trotz der Kämpfe hat Israel wieder humanitäre Güter in den Gazastreifen passieren lassen. Nach Armeeangaben handelte es sich dabei um 111 Lastwagen mit Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung. Darüber hinaus wurden mehr als 100.000 Liter Treibstoff geliefert. Die angekündigte dreistündige Feuerpause wurde jedoch bereits unmittelbar nach Beginn gebrochen. Zum zweiten Mal binnen einer Woche wurden auch wieder mehrere Raketen aus dem Libanon abgefeuert.
Quelle: ntv.de