Sozialisten gewinnen Parlamentswahl Hollande kann durchregieren
17.06.2012, 20:30 Uhr
Anhänger der Sozialisten feiern in Paris den deutlichen Wahlsieg der Partei.
(Foto: dpa)
Frankreichs Präsident Hollande ist Sozialist, nun wird auch das Parlament von seiner Partei dominiert. Die Linken erreichen bei der Wahl zur Nationalversammlung die absolute Mehrheit. Die UMP von Ex-Präsident Sarkozy verliert dagegen 100 Abgeordnete. Die rechtsextreme Front National und eine Le-Pen-Enkelin schaffen den Wiedereinzug ins Parlament.
Der politische Linksrutsch in Frankreich ist perfekt: François Hollande wird als erster sozialistischer Staatschef mit absoluten Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments regieren können. Sechs Wochen nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt ging seine Parti Socialiste (PS) auch als große Siegerin aus den Wahlen zur Nationalversammlung hervor. Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, hat die französische Linke bereits seit dem Vorjahr die Mehrheit.
Nach dem offiziellen Wahlergebnis kommen die PS und ihre engen Verbündeten auf 314 der 577 Mandate in der Nationalversammlung. 289 Sitze sind für die absolute Mehrheit notwendig. Die Schwesterpartei der deutschen SPD ist nun nicht mehr auf die Unterstützung der Grünen (16 Abgeordnete) oder Linksfront (zehn Sitze) angewiesen.
Hollande kann damit seine linken Reformpläne ungehindert durchsetzen. Dazu gehört unter anderem eine umfassende Steuerreform, bei der Spitzenverdiener und Finanzinstitute deutlich stärker belastet werden sollen. Hollande verfügt aber nicht über die Zwei-Drittel-Mehrheit, die für Verfassungsänderungen nötig wäre, um etwa den EU-Behörden mehr Macht über den Haushalt einzuräumen. Im Ringen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel um den richtigen Weg aus der Euro-Krise wird Hollande allerdings ohne innenpolitische Kompromisse den französischen Kurs vorgeben können.
Im Gegensatz zur deutschen Regierungschefin hält der 57-Jährige auch schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme für ein gutes Mittel im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Rezessionssorgen. Kurz vor dem Wahlgang war bekannt geworden, dass Hollande insgesamt rund 120 Milliarden Euro als Wachstumsspritze für Europas Wirtschaft fordert. Er forderte wiederholt, auch Instrumente wie einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds oder Euro-Bonds einzusetzen.
"Nichts wird einfach sein"
PS-Parteichefin Martine Aubry interpretierte den Wahlsieg als klaren Auftrag zum Bruch mit der Politik von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. "Die Franzosen haben die Forderung nach Wandel noch einmal verstärkt", sagte sie. Premierminister Jean-Marc Ayrault schlug vorsichtige Töne an und warnte: "Nichts wird einfach sein. Nichts wird uns geschenkt werden." Die Arbeitslosenquote in Frankreich stieg zuletzt auf den höchsten Stand seit Ende der 90er Jahre und liegt mittlerweile fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Das Haushaltsdefizit lag 2011 deutlich über dem EU-Grenzwert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ein Wermutstropfen für die PS war die Niederlage der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin und Spitzenpolitikerin Ségolène Royal. Die 58-Jährige verlor in ihrem Wahlkreis gegen Partei-Dissident Olivier Falorni. Dieser war zum Entsetzen vieler Genossen ausgerechnet von Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler öffentlich unterstützt worden. Royal nannte ihren Gegenkandidaten einen "Mann der Rechten" und sprach von "politischem Verrat". Auch ihr langjähriger Weggefährte und Ex-Kulturminister Jack Lang verlor sein Mandat.

Die Rechtsextremen feiern den Wiedereinzug ins Parlament: Front-Nationale-Gründer Jean-Marie Le Pen mit seiner Enkelin Marion Marechal-Le Pen.
(Foto: AP)
Die Union für eine Volksbewegung (UMP) des am 6. Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy stürzte erdrutschartig ab und wird nun erstmals seit 2002 wieder auf der Oppositionsbank sitzen. Direkte Verbündete eingeschlossen verlor die konservativ-rechte Partei um die 100 Abgeordnetensitze. Laut amtlichen Wahlergebnis errang sie 229 Sitze. Auch der Zentrumspolitiker François Bayrou musste seine Niederlage eingestehen.
Front Nationale wieder im Parlament
Die rechtsextreme Front National (FN) wird dagegen erstmals seit 1998 wieder im Parlament vertreten sein. Trotz eines zweistelligen Prozentergebnisses auf Landesebene lag sie aber nur bei zwei Abgeordneten. Hintergrund ist das Mehrheitswahlrecht. Es regelt, dass pro Wahlkreis nur der Kandidat mit den meisten Stimmen ein Mandat erhält. Kleine Parteien ohne Bündnispartner werden dadurch stark benachteiligt.
FN-Parteichefin Marine Le Pen musste eine knappe Niederlage einstecken. Sie verlor in ihrem Wahlkreis mit 49,89 Prozent der Stimmen gegen den sozialistischen Gegenkandidaten (50,11 Prozent). Ihre 22 Jahre alte Nichte Marion Maréchal-Le Pen wird dagegen Frankreichs jüngste Parlamentarierin. Marine Le Pen würdigt den Einzug der FN in die Nationalversammlung als Erfolg. Das extrem linke Wahlbündnis Front de Gauche um Jean-Luc Mélenchon konnte mit dem Ergebnis hingegen nicht zufrieden sein. Es hätte sich Fraktionsstärke mit 15 Sitzen erhofft, wurde aber nur bei zehn gesehen.
Hollande hat bereits eine Reform des Wahlrechts angekündigt, das für die große Wahlmüdigkeit mit verantwortlich gemacht wird. Die Beteiligung lag Hochrechnungen zufolge bei 56 Prozent und damit etwa 24 Prozentpunkte unter dem Wert bei der Präsidentenwahl am 6. Mai. 46 Millionen Franzosen waren aufgerufen, die 577 Sitze der ersten Parlamentskammer neu zu vergeben. Eine große Regierungsumbildung wird nicht erwartet. Alle angetretenen Kabinettsmitglieder gewannen nach Angaben der PS ihre Wahlkreise und erfüllten damit die Voraussetzung für den Verbleib in der Regierung.
Quelle: ntv.de, dpa/rts