Politik

Blutiger Befreiungsversuch in Algerien Hunderte Geiseln befreit, viele tot

Angehörige warten am Eingang eines Krankenhauses in Amenas auf Neuigkeiten von Angehörigen.

Angehörige warten am Eingang eines Krankenhauses in Amenas auf Neuigkeiten von Angehörigen.

(Foto: REUTERS)

Das Geiseldrama in einer algerischen Industrieoase ist noch nicht ausgestanden. Die Armee befreit zwar 650 Beschäftigte bei einer gewaltsamen Befreiungsaktion. Viele Geiseln sterben aber, die genaue Zahl der Opfer ist unklar. Auch werden immer noch 20 Ausländer vermisst oder von den Kidnappern noch gefangen gehalten.

Das algerische Geiseldrama ist eskaliert. Ein Befreiungsversuch der Armee verlä uft blutig und das Dramaist noch nicht beendet: Bei der Erstürmung der von Islamisten besetzten Industrieoase In Amenas befreien algerische Truppen nach offiziellen Angaben zwar 650 Geiseln, darunter auch rund 100 Ausländer. Bei der Aktion gibt es aber zugleich zahlreiche Tote – berichtet wird von zwölf bis 30 getöteten Geiseln. Offiziell ist, dass zwei Japaner, zwei Briten und ein Franzose unter den Getöteten sind. Viele Menschen werden zudem noch vermisst.

Nach algerischen Angaben wurden von den möglicherweise 32 Geiselnehmern 18 "außer Gefecht gesetzt". Die übrig gebliebene Gruppe Islamisten verschanzte sich mit den verbliebenen ausländischen Geiseln auf dem Industriegelände. Soldaten einer Elitetruppe versuchten laut der algerischen Nachrichtenagentur APS, sie zum Aufgeben zu bewegen. Kommunikationsminister Mohand Said Oublaid stellte aber klar, Algerien werde sich niemals erpressen lassen. "Wer glaubt, wir würden mit Terroristen verhandeln, täuscht sich."

Die mit Raketen und Granatwerfern bewaffneten Islamisten verlangen unter anderem das Ende des von Frankreich angeführten internationalen Militäreinsatzes in Mali. Andersfalls wollen sie weitere Anschläge auf ausländische Einrichtungen verüben. Den Vormarsch der französischen und malischen Truppen in Mali konnten die Islamisten mit ihrer Drohung aber nicht stoppen.

Kona zurückerobert

US-Außenministerin Hillary Clinton telefonierte nach den jüngsten Entwicklungen erneut mit dem algerischen Regierungschef Abdelmalek Sellal, um sich über den Fortgang der algerischen Operation auf dem Gasfeld auf dem Laufenden zu halten. Nach dem Telefonat sagte Clinton, Sellal habe "deutlich gemacht, dass die Operation immer noch andauert, die Lage instabil ist und noch in mehreren Fällen Geiseln in Gefahr sind". Die Situation vor Ort sei weiterhin "außerordentlich schwierig und gefährlich".

Eine Ambulanz bringt verwundete Geiseln ins Krankenhaus.

Eine Ambulanz bringt verwundete Geiseln ins Krankenhaus.

(Foto: REUTERS)

Von der algerischen Armee verlangte die Ministerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem japanischen Kollegen Fumio Kishida "größtmögliche Vorsicht", um "unschuldige Leben zu schützen". Ähnlich äußerte sich auch Kishida. Zugleich verurteilten beide Politiker den Angriff auf das Gasfeld durch radikale Islamisten.

Sieben Ausländer werden angeblich noch von den Kidnappern festgehalten, darunter zwei Amerikaner. Ansonsten handele es sich bei den Geiseln sich um drei Belgier, einen Japaner und  einen Briten, meldete die mauretanische Nachrichtenagentur ANI am  Abend unter Berufung auf das Umfeld des islamistischen Kommandos. Andere Quellen sprechen von insgesamt 20 Ausländern, die noch vermisst sind oder gefangen gehalten werden.

Malische Verbände haben derweil die strategisch wichtige Stadt Kona in der Landesmitte zurückerobert. Deren Erstürmung durch Islamisten hatte vergangene Woche Frankreichs Eingreifen provoziert. "Wir haben Kona völlig unter Kontrolle", erklärte das Oberkommando in Bamako.

In den Reisfeldern im Umland von Kona wurde offenbar weiter gekämpft. Malische Truppen rückten aber weiter in Richtung auf die von Rebellen gehaltene Stadt Douentza vor und standen in Niono rund 60 Kilometer vor Diabali.

Brutale Übergriffe der Extremisten

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) befürchtet mehr als 700.000 Kriegsflüchtlinge in Mali. Seit Frühjahr 2012 seien 230.000 Menschen innerhalb Malis und fast 150.000 in benachbarte Länder geflohen. "Unsere aktuellen Planungen sind eingestellt auf bis zu 300.000 Menschen, die innerhalb Malis Zuflucht suchen, und 407.000, die in benachbarte Länder fliehen", sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming.

Nach UN-Informationen gibt es in Mali schwere Übergriffe von Islamisten auf Zivilpersonen. Die Vorwürfe reichen vom Abtrennen von Gliedmaßen bis zu Vergewaltigungen und Zwangsverheiratungen von Mädchen mit Dschihadisten.

Bundeswehr beginnt Mali-Einsatz

Die zwei Transall-Maschinen der Bundeswehr sollen an diesem Samstag mit Sanitätsmaterial in Bamako eintreffen. Anschließend sollen sie für den Transport afrikanischer Mali-Truppen eingesetzt werden.

Nach dem Eingreifen Frankreichs in Mali hatte das Islamistenkommando in Algerien am Mittwoch die Industrieanlage In Amenas mit 700 Mitarbeitern besetzt. Am Donnerstag begannen die algerischen Streitkräfte mit der Rückeroberung. Ihr hartes Vorgehen brachte Algerien Kritik vieler Regierungen von Großbritannien bis Japan ein. Frankreich äußerte allerdings Verständnis.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta drohte den Geiselnehmern Konsequenzen an. "Die Terroristen sollten wissen, dass es für sie kein Versteck, keinen Fluchtpunkt gibt", sagte Panetta in London. Die aus mehreren islamischen Staaten stammenden Geiselnehmer hatten den Angriff auf In Amenas monatelang vorbereitet.

Die Bundesregierung mahnte alle Reisenden im nördlichen und mittleren Afrika wegen der Terrorgefahr zur Vorsicht. Es bestehe eine erhöhte Gefahr von Gewaltakten und Entführungen durch Al-Kaida und kriminelle Banden.

Quelle: ntv.de, ddi/AFP/dpa/rts

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