Politik

Loch nach Ägypten Hunderttausende unterwegs

Massenansturm auf Ägypten: Hunderttausende Palästinenser sind über die von Militanten zerbombten Grenzanlagen ins Nachbarland geströmt. Sechs Tage nach der vollständigen Abriegelung des Gazastreifens durch Israel kauften sie in Ägypten vor allem Lebensmittel, Kleidung, Zigaretten und Hygieneartikel ein. Nach UN-Angaben waren es rund 350 000 Grenzgänger, nach palästinensischen Schätzungen sogar etwa eine halbe Million. Vermummte Militante hatten 17 Löcher in die rund zehn Kilometer lange Grenzanlage in der geteilten Stadt Rafah gebombt. Hamas-Kämpfer rissen mit Bulldozern Metallwände und Stacheldrahtzäune nieder.

Die israelische Regierung forderte von der Führung in Kairo Gegenmaßnahmen. "Wir erwarten, dass Ägypten dieses Problem löst", hieß es in einer Erklärung des israelischen Außenministeriums. Ägypten sei dafür verantwortlich, dass die Grenzkontrollen entsprechend internationaler Abkommen verliefen. Die israelische Regierung zeigte sich auch besorgt, dass "jedermann" - also auch Terroristen und Geldkuriere - in den Gazastreifen gelangen könnten. Ägypten hatte die Grenze nach der blutigen Machtübernahme der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen im Juni 2007 geschlossen.

Die USA machten die Hamas für die Eskalation der Situation im Gazastreifen verantwortlich. "Die Palästinenser in Gaza leben wegen Hamas im Chaos", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, in Washington. Daher trage sie auch die Verantwortung für die gewaltsame Öffnung der Grenze. Die Lage sei besorgniserregend für Israel, fügte sie auch mit Blick auf den "Abschuss von mehr als 150 Raketen pro Tag" von Gaza auf Israel hinzu.

Ausbruch aus der Blockade

Ägyptens Präsident Husni Mubarak erklärte, er habe die Sicherheitskräfte wegen der humanitären Krise im Gazastreifen angewiesen, die Palästinenser ins Land zu lassen. Jedem, der keine Waffe trage, sei erlaubt worden, sich auf der ägyptischen Sinai- Halbinsel mit Nahrungsmitteln einzudecken, sagte Mubarak nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur MENA. Die Palästinenser müssten aber anschließend nach Hause zurückkehren.

Sowohl die palästinensische Autonomiebehörde als auch Hamas machten Israel für das Chaos verantwortlich. Die "inakzeptable Abriegelung" des Gazastreifens und der Druck auf die Bevölkerung hätten zu der Explosion geführt, sagte der Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh. Abbas habe Israel mehrfach gebeten, die Blockade für 1,5 Millionen Palästinenser aufzuheben und der Autonomiebehörde die Kontrolle der Grenzübergänge zu übergeben.

Die Hamas sprach von einer "natürlichen Reaktion" auf Abriegelung und Druck. Der Vorsitzende des Hamas-Politbüros, Chaled Meschaal, bot in Damaskus an, gemeinsam mit Ägypten und der Autonomiebehörde den Grenzübergang Rafah zu kontrollieren.

Fajad in Berlin

Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad sagte bei einem Besuch in Berlin, die Situation im Gazastreifen sei "gefährlich". "Es ist wichtig, ganz offiziell die Übergänge wieder zu öffnen", forderte er nach einem Gespräch mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die schwierigen Lebensbedingungen im Gazastreifen führten zu Gewalt und müssten dringend verbessert werden.

Am Freitag hatte Israel als Reaktion auf den Raketenbeschuss durch militante Palästinenser die Grenzübergänge zum Gazastreifen geschlossen. Bei gewaltsamen Protesten hatten tausende Hamas-Anhänger am Dienstag in Rafah eine Öffnung der Grenze nach Ägypten gefordert. Als dies nicht geschah, sprengten Militante am frühen Mittwoch Löcher in die Betonmauer auf palästinensischer Seite. Danach stürmten die Menschen die Grenzanlage auf ägyptischer Seite.

Vor der vollständigen Abriegelung des Gazastreifens hatte Israel bereits seit Machtübernahme der Hamas die Sanktionen verschärft. Danach wurden die Palästinenser nur mit Grundnahrungsmitteln wie Reis, Zucker, Öl, Gemüse, Mehl, Milchprodukten sowie Gefrierfleisch versorgt. Andere Artikel wie Zigaretten wurden rar und teuer.

In Berlin gaben Steinmeier und Fajad den Startschuss für eine Initiative zur Umsetzung von Kleinprojekten in den Palästinensergebieten. Zunächst finanziert das Auswärtige Amt sechs Projekte vor allem zum Ausbau von Schulen mit je 100.000 Euro. Auch Kanzlerin Angela Merkel sicherte Fajad Unterstützung zu.

Quelle: ntv.de

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