Hilfe in Birma reicht nicht Hungerkatastrophe droht
18.05.2008, 17:35 UhrTausenden Menschen droht in Birma nach Einschätzung internationaler Helfer der Hungertod, wenn Nahrungsmittelspenden sie nicht bald erreichen. Besonders Kleinkinder seien durch die Notlage nach der Wirbelsturm-Katastrophe vor zwei Wochen gefährdet, erklärte die Hilfsorganisation Save the Children in London.
In den am schwersten von dem verheerenden Sturm betroffenen Gegenden des Irrawaddy-Deltas seien bereits vorher etwa 30.000 Kleinkinder unternährt gewesen, erklärte die Organisation. Viele von ihnen könnten nun an den Folgen von Hungerkrankheiten sterben, wenn Birmas Militärregime nicht endlich aufhöre, internationale Hilfeleistungen für die Notleidenden zu behindern.
"Bevor es zu spät ist"
"Wir müssen mehr Menschen erreichen bevor es zu spät ist", sagte Jasmine Whitbread, die Direktorin der britischen Sektion von Save the Children. "Wir sind in größter Sorge, denn viele Kinder in den betroffenen Gebieten leiden inzwischen unter akuter Unterernährung, also unter der schwersten Form von Hunger. Wenn hungernde Menschen dieses Stadium erreicht haben, können sie innerhalb weniger Tage sterben."
Auch nach Auffassung der Vereinten Nationen haben hunderttausende Menschen immer noch nicht ausreichend Hilfe erhalten. Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) erklärte, es sei gelungen, lediglich 212.000 der schätzungsweise 750.000 Menschen, die Hilfe am dringendsten benötigen, mit Reis und Bohnen zu versorgen. "Das reicht nicht", betonte ein Sprecher des WFP in Bangkok.
Holmes in Birma
UN-Hilfskoordinator John Holmes ist unterdessen zu Gesprächen mit der birmanischen Militärregierung über die Öffnung des Landes für internationale Helfer in Rangun eingetroffen. Er werde sich mit Vertretern der Regierung treffen und in das Irrawaddy-Delta reisen, sagte der UN-Vertreter in Rangun, Dan Baker. Holmes hatte einen Brief von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an den Junta-Chef Than Shwe im Gepäck. Ban hatte wiederholt vergeblich versucht, Shwe telefonisch zu erreichen.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird noch in dieser Woche nach Birma reisen. Wie ein Sprecher in New York mitteilte, will Ban mit den Militärmachthabern über die Hilfslieferungen an die Bedürftigen sprechen.
General Shwe, hat sich derweil erstmals in die vom Wirbelsturm "Nargis" betroffenen Gebiete begeben. Der 75-Jährige wurde vom Staatsfernsehen bei einem Rundgang durch Notlager in einem Vorort von Rangun gezeigt.
Michel fordert Dialog
Nach seinem zweitägigen Besuch in Birma sprach sich EU-Entwicklungskommissar Louis Michel für einen Dialog mit der dort herrschenden Militärjunta aus. Wer diese umstimmen wolle, müsse das Gespräch mit ihr suchen, sagte Michel dem belgischen Fernsehsender RTBF. Michel kritisierte die Verlängerung der US-Sanktionen gegen Birma durch US-Präsident George W. Bush.
Ausgewählte Orte für Diplomaten
Erstmals hatten die Militärs zuvor ausländische Diplomaten in die Katastrophengebiete gebracht, wo die Zahl der Toten und Vermissten inzwischen auf 133.000 angestiegen ist. Damit ist das Unglück schon jetzt eines der schwersten in der Geschichte Asiens. Experten gehen von noch deutlich steigenden Opferzahlen aus, da die Militärregierung auch zwei Wochen nach der Katastrophe weiter keine ausländische Hilfe im großen Stil für die 2,5 Millionen Menschen zulässt, die durch den Zyklon "Nargis" obdachlos wurden.
"Es war ein nützlicher Blick auf den Umfang der Verwüstungen. Er ist gewaltig", sagte der Diplomat Bernard Delpuech von der EU-Kommission nach seiner Rückkehr nach Rangun. Mit der Exkursion ins Katastrophengebiet am Samstag habe die Militärregierung signalisieren wollen, dass sie die Lage unter Kontrolle habe. Die Generäle hätten vor den Diplomaten zwar nichts verborgen, wohl aber die gezeigten Plätze sorgfältig ausgewählt. Insgesamt seien 60 bis 70 Diplomaten mit drei Hubschraubern an verschiedene Orte geflogen worden. Bei der Frage des Wiederaufbaus dürfe man sich keine Illusionen machen, sagte Delpuech. "Sie können nicht von sechs oder zwölf Monaten ausgehen - es wird länger dauern."
"Keine Leute, die neue Probleme machen"
Während der Besichtigung des Katastrophengebiets hätten die Diplomaten den sie begleitenden Minister bei jeder sich bietenden Gelegenheit gebeten, mehr ausländische Hilfe ins Land zu lassen, sagte Delpuech. Die Antwort sei jedoch stets die gleiche gewesen: "Ja, sie sind dazu bereit - aber sie wollen keine Leute, durch die neue Probleme entstehen."
Die in dem verarmten südostasiatischen Land seit 46 Jahren herrschenden Militärs haben sich bisher geweigert, in größerer Zahl ausländische Helfer einzulassen. Sie stehen deshalb unter massivem internationalen Druck.
Quelle: ntv.de