IWF fordert Sofort-Hilfe Hungerrevolten drohen
14.04.2008, 11:05 UhrAngesichts von weltweiten Hungerrevolten und Protesten wegen der Preisexplosion von Grundnahrungsmitteln haben Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) zu umfangreicher Nothilfe aufgerufen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen brauche umgehend 500 Millionen Dollar, sagte Weltbank-Präsident Robert Zoellick zum Abschluss der Frühjahrstagung beider Organisationen in Washington. Es drohe, dass 100 Millionen Menschen noch tiefer in Armut versänken. Bislang sei lediglich die Hälfte der Summe an die UN überwiesen worden.
In Dutzenden armen Ländern ist es wegen der teuren Nahrung bereits zu Gewalt, Demonstrationen und Plünderungen gekommen. Die Regierung von Haiti ist wegen der Nahrungskrise gestürzt worden. Nach Angaben der Weltbank stiegen die Preise für Lebensmittel weltweit in den vergangenen drei Jahren um 83 Prozent. Als wichtigste Gründe gelten die verstärkte Produktion von Biokraftstoffen, veränderte Ernährungsgewohnheiten in aufstrebenden Ländern wie China und ausgedehnte Dürren etwa in Australien.
Aufstockung der Hilfe
Die Weltbank reagierte mit einer Soforthilfe von zehn Millionen Dollar auf die Krise in Haiti. Die multilaterale Entwicklungshilfeorganisation kündigte an, ihre Mittel zum Ausbau der Landwirtschaft in armen Ländern von derzeit 800 Millionen Dollar bis 2011 auf eine Milliarde Dollar aufzustocken.
IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn berichtete, im gemeinsamen Entwicklungsausschuss von Weltbank und Fonds habe ein Minister die Herstellung von Biosprit aus Nahrungsmitteln wie Mais als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet. "Das zeigt, wie groß die Besorgnis bei manchen ist", sagte er. Strauss-Kahn selbst hatte vor weiteren Unruhen und Hunderttausenden von Hungernden gewarnt, sollten Lebensmittel weiterhin so teuer bleiben.
Kritik an IWF und Weltbank
Der Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, Thilo Bode, kritisierte bei n-tv die Politik von IWF und Weltbank. "Ich vermisse bei den Maßnahmen der Weltbank und den Empfehlungen des IWF die langfristige Perspektive, denn das kann höchstens kurzfristig wirken." Schon in der Vergangenheit sei der Fehler gemacht worden, dass die Entwicklungsländer mit Lebensmittelhilfe ausgestattet worden seien. Dadurch seien die Preise von den dortigen Produzenten niedrig gehalten worden, und das habe zu der Hungerkrise beigetragen.
"Was jetzt erforderlich wäre, wäre erstens ein klares Bekenntnis dazu, dass man Lebensmittel nicht benutzt, um Sprit zu produzieren, und zweitens eine andere Agrar- und Handelspolitik der Industrieländer", forderte Bode. "Das heißt, wir dürfen nicht mehr wie in der Vergangenheit unsere Nahrungsmittel auf die Märkte der Dritten Welt schmeißen und dort die Existenz von Kleinbauern vernichten. Nur wenn sich das ändert, in Verbindung mit einer fairen Sozialpolitik der Entwicklungsländer, wird sich etwas ändern."
Thema in Tokio
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nannte es "völlig inakzeptabel", dass die hohen Preise vor allem die Armen träfen. "Das ist genau das Gegenteil von dem, was sich die internationale Gemeinschaft vorgenommen hat - nämlich, Armut zu bekämpfen", sagte die deutsche Weltbank-Gouverneurin. Der Entwicklungsausschuss habe sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Biokraftstoffe "unter die Lupe zu nehmen". Weltbank-Chef Zoellick kündigte an, dass die Preisentwicklung auch Thema auf dem Treffen der G8-Finanzminister im Juni in Tokio sein werde.
Quelle: ntv.de