Interview mit Antonia Rados "Ich fürchte, der Kampf wird blutig"
10.03.2011, 17:00 Uhr
Aufständische unter Beschuss an der Straße zwischen Ras Lanuf und Bin Jiwad.
(Foto: REUTERS)
Im Osten Libyens erwehren sich die Aufständischen dem Druck der Gaddafi-Truppen, die Hauptstadt Tripolis ist nach wie vor fest in der Hand des Regimes. Von dort berichtet Antonia Rados für n-tv und RTL. Sie hält es für unwahrscheinlich, dass Gaddafi zurücktritt: "Ich fürchte, es wird einen langen und blutigen Kampf um Libyen geben."
Wie ist die Lage in Tripolis?
Antonia Rados: An der Oberfläche ist die Lage in Tripolis ruhig. Muammar al-Gaddafi wird im Moment in seiner Hochburg nicht in Frage gestellt - Proteste gibt es keine.
Was bekommen Sie von den Entwicklungen in anderen Landesteilen mit?
Wir waren per Telefon mit Gaddafi-Gegnern in Sawiya und Misrata in Kontakt - jetzt ist Sawiya nicht mehr erreichbar, die Rebellen-Hochburg wurde vom Regime systematisch von der Welt abgeschnitten: kein Strom, kein Internet, kein Telefon. Wir hören und sehen zwar manches - freier Journalismus ist aber in einem Polizeistaat wie Libyen nicht möglich.
Ein BBC-Team ist misshandelt worden. Können Sie sich frei bewegen und arbeiten?
Berichterstattung ist hier ein ständiger Hindernislauf. Reporter werden kontrolliert und eingeschränkt. Das Interesse des Regimes ist, über die ausländischen Reporter ihre Seite der Krise in die Welt hinauszubringen. Reporter werden aber auch festgenommen, wie die Kollegen von der BBC. Das widerspricht allen internationalen Regeln. Noch beunruhigender: Die beiden Kollegen hörten während ihrer Inhaftierung mit, wie andere gefoltert wurden.
Als erste Regierung hat Frankreich die Gegenregierung der Rebellen offiziell anerkannt. Könnte dies ein erster Schritt zu einer völkerrechtlichen Absicherung einer internationalen Intervention sein?
Mir erscheint der französische Schritt zu früh. Damit werden zusätzliche Probleme in einer ohnehin angespannten Lage geschaffen. Gaddafi wird sich davon nicht beeindrucken lassen.
Deutschland hat libysche Konten gesperrt, um die Anwerbung von Söldnern zu stoppen. Was wissen Sie über den möglichen Einsatz von gekauften Truppen gegen die Aufständischen?

Antonia Rados
Ich persönlich habe keine Söldner gesehen. Es gibt sie aber wahrscheinlich. Das libysche Regime sagt uns, die seien eine Erfindung der Opposition.
Angeblich denkt Gaddafi über einen Gang ins Exil nach Tschad oder Niger nach. Es gibt Medienberichte, er wolle freies Geleit und über sein Vermögen verfügen können. Für wie wahrscheinlich halten Sie eine solche Entwicklung?
Ich halte das für unwahrscheinlich. Gaddafi sagte mehrmals, er werde nicht gehen. Nichts weist im Moment auf einen Rücktritt hin. Ich fürchte, es wird einen langen und blutigen Kampf um Libyen geben.
Quelle: ntv.de, Mit Antonia Rados sprach Solveig Bach