Krieg in der Ukraine dauert an Im Waffenstillstand sterben 331 Menschen
08.10.2014, 14:09 Uhr
Rauch über einem Frauenkloster am Flughafen von Donezk. Trotz des Waffenstillstands wird hier weiterhin gekämpft.
(Foto: AP)
Der Waffenstillstand in der Ukraine ist brüchig: Hunderte Menschen kommen bei Kämpfen im Osten des Landes ums Leben, seit die Feuerpause verkündet wurde. Die UN werfen den Separatisten, aber auch der ukrainischen Regierung schwere Verbrechen vor.
Trotz des Waffenstillstands gehen die Kämpfe in der Ostukraine weiter. Nach der Vereinbarung vom 5. September habe es zwar keine flächendeckenden Kampfhandlungen mehr gegeben, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit, das einen neuen Ukraine-Bericht vorlegte. Dennoch komme es in manchen Gegenden fast täglich zu Gefechten, bei denen zum Teil auch Panzer eingesetzt würden.
Als Beispiele nennt die UN-Organisation den Flughafen von Donezk, die Umgebung der Stadt Debalzewe nordöstlich von Donezk und die Stadt Shchastya in der Provinz Luhansk. Im gesamten Osten der Ukraine seien von Mitte April bis zum 6. Oktober mindestens 3660 Menschen getötet worden. Seit Inkrafttreten des Waffenstillstands, zwischen dem 6. September und dem 6. Oktober, wurden mindestens 331 Todesfälle gezählt.
Auf der Karte, die der ukrainische Sicherheitsrat täglich veröffentlicht, sind noch immer zahlreiche Punkte eingezeichnet, die "Gefechtsplätze" markieren. Erst am Mittwoch wurden in Donezk drei Zivilisten getötet und vier weitere verletzt, meldet die "Kyiv Post". Dabei blieb unklar, wer für den Tod dieser Menschen verantwortlich ist.
Auch in Regionen, in denen nicht mehr gekämpft wird, sind die Schrecken des Kriegs längst nicht überwunden. Luhansk wirke "verwüstet und apokalyptisch", schreibt etwa der Journalist Christopher Miller.
Folter und Mord gehen weiter

Am Flughafen von Donezk wird ein verletzter Separatist von einem Kampfgefährten notdürftig verbunden.
(Foto: AP)
Der UN-Bericht enthält schwere Vorwürfe gegen die Separatisten, die ukrainische Regierung und Russland. Zwischen dem 24. August und dem 5. September seien die bewaffneten Gruppen der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" und der "Volksrepublik Luhansk" von einer wachsenden Zahl ausländischer Kämpfer unterstützt worden. Darunter seien offenbar auch Bürger der Russischen Föderation.
Sowohl die prorussischen Milizen als auch Einheiten und Freiwilligenverbände, die der ukrainischen Armee unterstehen, hätten gegen internationales Menschenrecht verstoßen. Den Milizen wirft der Bericht vor, die einheimische Bevölkerung mit diversen Menschenrechtsverletzungen zu "terrorisieren": mit Tötungen, Entführungen, Folter, Scheinhinrichtungen, sexueller Gewalt und Zerstörung von Häusern. Es habe auch Vorwürfe gegen einige Freiwilligenverbände gegeben, die unter der Kontrolle Kiews stünden. Außerdem habe es Berichte gegeben, dass ukrainische Soldaten und Polizisten Gefangene misshandelt hätten.
UN-Hochkommissar Zeid Ra'ad Al Hussein forderte, dass alle Menschenrechtsverletzungen untersucht und bestraft werden müssten. "Dabei geht es um Gerechtigkeit, nicht um Vergeltung. Alle Konfliktparteien müssen sicherstellen, dass es keine Rache für mutmaßliche Kollaboration oder Zugehörigkeit mit dem anderen Lager gibt."
Razzien gegen Krimtataren
Auch auf der von Russland annektierten Krim gebe es weiterhin Menschenrechtsverletzungen, heißt es in dem Bericht. Genannt werden Einschränkungen der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Freiheit der Religionsausübung. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung stünden vor allem Krimtataren und Ukrainer unter besonderem Druck: Sicherheitskräfte würden ihre Wohnungen durchsuchen, um nach "extremistischem" Material zu suchen.
Der Bericht betont, dass zwei Gesetze, die das ukrainische Parlament am 16. September verabschiedet hatte, das Potenzial haben, "eine entscheidende Rolle bei der (innerukrainischen) Aussöhnung zu spielen und eine Umgebung für nachhaltigen Frieden zu schaffen". Das eine ist ein Gesetz, das mit Ausnahme von schwerwiegenden Gewaltverbrechen eine Amnestie im Zusammenhang mit den Kämpfen in Donezk und Luhansk vorsieht. Das andere Gesetz schafft einen Sonderstatus für die Regionen über einen Zeitraum von drei Jahren. Beide Gesetze kamen auf Druck des Westens zustande. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte im September, ohne diese Beschlüsse hätte die Ukraine die internationale Unterstützung verloren. Unterzeichnet hat Poroschenko beide Gesetze bislang allerdings nicht. Dies dürfte mit dem Wahlkampf zusammenhängen: Am 26. Oktober 2014 wird in der Ukraine ein neues Parlament gewählt - das erste seit dem Umsturz im Februar 2014.
Quelle: ntv.de