Der Südsudan will die Unabhängigkeit In der Teilung vereint
08.01.2011, 11:18 Uhr
Es wird erwartet, dass sich der Südsudan vom Norden lossagt.
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Der Südsudan strebt die Unabhängigkeit vom Zentralstaat an. Er verfügt über große Ölreserven, doch nur der Norden hat die Raffinerien und eine Infrastruktur. Streit ist programmiert. Die Teilung gelingt daher nur, wenn beide Seiten zusammenarbeiten – enger als bisher.
Das flächenmäßig größte Land Afrikas dürfte bald Geschichte sein. Wenn sich der Südsudan in einem Referendum für die Unabhängigkeit von der Regierung in Khartum entscheidet, zerfällt die bisherige Republik Sudan in zwei Teile. Für den Süden geht dann der lange Kampf um die Unabhängigkeit zu Ende – sofern der Norden nicht militärisch eingreift. Denn hier geht es nicht nur um politische Selbstständigkeit, sondern auch um reiche Erdölvorkommen und Bodenschätze. So paradox es klingen mag, doch die Teilung des Landes kann nur gelingen, wenn beide Seiten enger zusammenarbeiten.

Das Referendum ist von großer Bedeutung für die Stabilität in der Region.
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Fast vier Millionen der etwa fünf Millionen Südsudanesen haben sich für die Abstimmung registrieren lassen. Mindestens 60 Prozent der registrierten Wähler müssen ihre Stimme abgeben, damit die Entscheidung gültig ist. Begleitet wird das Referendum von westlichen, afrikanischen und arabischen Beobachtern. Auch die mit dem Norden verbündeten Chinesen, die Hauptabnehmer sudanesischen Erdöls, haben sich angekündigt. Kaum ein Beobachter zweifelt noch daran, dass sich der Süden vom Sudan lossagen und einen eigenen Staat (etwa von der Größe Frankreichs) mit der Hauptstadt Juba bilden wird.
Viele ungeklärte Fragen
Doch selbst wenn das Referendum friedlich über die Bühne geht - Streit gibt es etwa darüber, wer überhaupt abstimmen darf -, sind die Probleme damit noch nicht beseitigt. Ungeklärt sind nicht nur zukünftige Niederlassungsrechte von Nomaden und Geschäftsleuten im jeweils anderen Landesteil oder die Übernahme der Schulden des derzeitigen Sudan. Vor dem Referendum ist noch nicht einmal der genaue Grenzverlauf festgelegt. Dabei liegen gerade im Grenzgebiet die größten Ölvorkommen, aber auch Bodenschätze wie Kupfer und Uran.
Vor allem aber die Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft und die Zukunft der zentralen und ölreichen Region Abyei sorgen in den noch laufenden Verhandlungen für Zündstoff. Beide Landesteile sind dabei stark voneinander abhängig. Zwar würde der Süden nach der Unabhängigkeit je nach Grenzverlauf über bis zu Dreiviertel der Ölreserven verfügen, doch er besitzt keine Pipelines und keine einzige Raffinerie, die das Öl weiterleiten und weiterverarbeiten könnten. Diese befinden sich im Norden, genau wie der Hafen Port Sudan und damit der einzige Zugang zu den internationalen Seewegen.
Ein Erbe des Kolonialismus

Fast vier Millionen Südsudanesen haben sich für die Abstimmung registrieren lassen.
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Um von den etwa sechs Milliarden Barrel Öl des Landes profitieren zu können, müssen die Verantwortlichen in Karthum und Juba zusammenarbeiten. Doch warum sollte sich das Land dann überhaupt teilen? Die Gründe dafür liegen in der historischen Entwicklung und in den ethnisch-religiösen Gegensätzen. Der Sudan ist ein typisches Konstrukt des europäischen Kolonialismus. 1947 verfügten die britische Kolonialmacht und Vertreter des Nordens den Zusammenschluss beider Landesteile. Der Süden hatte dabei kein Mitspracherecht, er geriet unter die Dominanz der Herrscher in Karthum.
Keine Rolle spielten bei dieser Entscheidung, die auch nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1956 bestehen blieb, ethnische und religiöse Unterschiede. Während der Norden überwiegend islamisch geprägt und von Arabern bevölkert ist, leben im Südsudan Schwarzafrikaner, die überwiegend christlich-animistisch sind. In zwei Unabhängigkeitskriegen kämpften die Südsudanesen für ihre Selbstständigkeit. Nach den erfolglosen Kämpfen von 1955 bis 1972 formierte sich ab 1983 die Sudanesische Volksbefreiungsarmee. Erst nach mehr als 20 Jahren, mehr als zwei Millionen Opfern und etwa vier Millionen Vertriebenen stimmte die Regierung in Karthum unter Präsident Omar Al-Baschir 2005 einem Friedensvertrag zu.
Fortschritt? Stabilität? Wohlstand?
Seitdem bildet der Süden eine autonome Region, mit der Option eines Unabhängigkeitsreferendums. Al-Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Vorwurfs des Völkermords in der westsudanesischen Region Darfur Haftbefehl erlassen hat, plädiert verständlicherweise für die Einheit des Landes. Nur so könne "Fortschritt, Stabilität und Wohlstand" erreicht werden, sagte er kürzlich. Ein Fortschritt, den er freilich bisher nur dem Norden angedeihen ließ, während die schwarzafrikanischen Regionen im Westen und Süden wirtschaftlich unterentwickelt blieben.
Gleichwohl versprach Al-Baschir bei einem Besuch bei seinem südlichen Amtskollegen Salva Kiir, dass er eine Unabhängigkeit akzeptieren würde. Ob er dieses Versprechen hält, wenn die Einnahmen aus dem Ölgeschäft sinken, weil der Süden besser mitverdienen will? Oder ob Al-Baschir dann doch islamische Stammesmilizen in den Krieg schickt? Bisher leistet das Ölgeschäft etwa die Hälfte der Staatseinnahmen Karthums, im Süden sind es gar um die 90 Prozent. Sollte der Norden einen militärischen Konflikt riskieren, stünde der stark unterentwickelte Süden vor einem Dilemma: Die reichen Ölreserven, über die man verfügt, könnten nicht verwertet werden, es gäbe keinerlei Einnahmen. Sicherheit und Hilfe könnte dann allenfalls der Westen, allen voran die USA, bieten.

Wenn die Südsudanesen für eine Unabhängigkeit stimmen, stehen Sudans Präsident Al-Baschir (r) und Vize-Präsident Salva Kiir schwierige Aufgaben bevor.
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Selbst wenn der Südsudan also seine Unabhängigkeit erreicht, die politisch nicht viel mehr einbringt als der bisherige Autonomiestatus, bleibt er doch auf den Norden angewiesen. Al-Baschir weiß das, und in den laufenden Verhandlungen über die Bedingungen der Unabhängigkeit, die ohne externe Vermittler geführt werden, ist dies seine Trumpfkarte. Ohne Zugeständnisse aus Juba wird der sudanesische Präsident den Süden nicht loslassen. Das gilt erst recht, wenn der Südsudan eine - freilich teure und nur langfristig umsetzbare - Pipeline Richtung Kenia oder Uganda bauen und damit Karthum von den Ölreserven abschneiden würde.
Was müssen Norden und Süden tun
Um gewaltsame Konflikte zu vermeiden, muss der Norden das Ergebnis des Referendums ohne Bedingungen anerkennen und in den noch strittigen Fragen Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Der Süden wiederum darf sich nach der endlich erreichten Unabhängigkeit nicht zu stark von Karthum ab- und den südlichen Anrainern zuwenden. Und die Sudanesische Volksbefreiungsarmee darf über die Auseinandersetzungen mit dem Norden nicht vergessen, im eigenen Land demokratische Verhältnisse zu schaffen, die den Ölreichtum zur Bekämpfung der Armut und den Ausbau der Infrastruktur nutzen. Sonst droht die Gefahr weiterer vom Norden unterstützter separatistischer Bewegungen. Nord- und Südsudan bleibt auch nach der Teilung nur die enge Zusammenarbeit.
Quelle: ntv.de