Mehr als Staatsbewohner Integration im Alltag
13.07.2007, 06:57 UhrPolitik, Wirtschaft und Verbände wollen nach dem Integrationsgipfel ihre Anstrengungen zur Integration von Zuwanderern erheblich verstärken. Ungeachtet des Boykotts durch die türkischen Verbände aus Enttäuschung über das strengere deutsche Zuwanderungsrecht verabschiedete der zweite Integrationsgipfel den Nationalen Integrationsplan mit mehr als 400 Selbstverpflichtungen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), plädierte für mehr politische Teilhabe von Migranten. "Der Integrationsgipfel muss mehr bieten als interessante Fernsehbilder", sagte Edathy der "Berliner Zeitung". "Es ist unabdingbar, dass wir die politische Teilhabe von Migranten durch ein kommunales Wahlrecht für lange in Deutschland lebende Ausländer verbessern."
Nötig sei zudem eine Einbürgerungskampagne, meinte der SPD- Experte. "Wir sollten Menschen, die einen Einbürgerungsanspruch haben, dazu bewegen, nicht nur Staatsbewohner zu sein, sondern Staatsangehörige zu werden."
Künftig müsse gelten, dass bei beabsichtigten Änderungen in der Gesetzgebung "wir Politiker die Vertreter der Migrantenorganisationen stärker einbeziehen und deren Kritik ernster nehmen müssen", sagte Edathy mit Blick auf den Boykott des Integrationsgipfels durch vier türkische Verbände. "Das Verhalten der Verbände ist Ausdruck einer ernst zu nehmenden Enttäuschung." Den Vorwurf, die Verbände seien integrationsunwillig, wies Edathy zurück.
Predigen auf Deutsch
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) forderte die Muslime auf, das Freitagsgebet in Moscheen häufiger auf Deutsch zu sprechen. Damit werde ein leichterer Zugang geschaffen zu dem, "was dort gelehrt wird".
Der Freitag ist Versammlungstag der islamischen Gemeinden in aller Welt. Der Besuch des Freitagsgebetes, üblicherweise in einer Moschee, gilt als Pflicht für jeden männlichen, gesunden Muslim im Erwachsenenalter.
Wulff sprach sich außerdem dafür aus, Staatsverträge mit den Muslimen zu vereinbaren. "Das ist in den kommenden Jahren notwendig, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und das Miteinander zu organisieren." In einem Staatsvertrag könnten mit Muslimen klare Absprachen getroffen werden über das Verhältnis von Staat und Religion.
"Wir brauchen das auch für das Modellprojekt des islamischen Religionsunterrichtes und für die Ausbildung von Imamen", betonte Wulff. "Ein Staatsvertrag ist die höchste Anerkennung einer Religionsgemeinschaft." Staatsverträge mit der evangelischen und der katholischen Kirche gibt es bereits seit Jahren.
Zum Boykott des Integrationsgipfels durch vier türkische Verbände aus Protest gegen das Zuwanderungsrecht sagte der Regierungschef: "Ein Fernbleiben ist kindisch." Die "Emotionalisierung gegen das Zuwanderungsgesetz" schade in allererster Linie den Migranten selbst. Wer auf eine Einreise nach Deutschland ohne Grundkenntnisse der deutschen Sprache poche, verstärke Vorbehalte in der Gesellschaft.
Schäuble verteidigt Gesetz
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat die von türkischen Verbänden kritisierte Regelung zum Familiennachzug im neuen Zuwanderungsgesetz verteidigt. "Wir möchten nicht, dass immer mehr kommen, die überhaupt nicht integriert sind und auch nach sechs, sieben Jahren noch kein Wort Deutsch sprechen. Dann haben die Kinder keine Chance", sagte der CDU-Politiker im ZDF. Mehrere Verbände hatten den Integrationsgipfel im Kanzleramt boykottiert und dies unter anderem damit begründet, dass nachziehende Ehepartner aus der Türkei künftig bereits vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse nachweisen müssen. Da dies für einige andere Staaten nicht gelte, sei die Regelung diskriminierend.
Schäuble argumentierte dagegen, niemand könne gutheißen, dass die Integration immer wieder bei Null anfange, weil über arrangierte Ehen kontinuierlich Frauen nach Deutschland kämen, "die kein Wort Deutsch können". "Das ist ein Gesetz zur Verbesserung der Integration", betonte Schäuble.
Quelle: ntv.de