"Debatten über Scheinlösungen" Integrationsbeauftragte hält Migrationsdebatte für gefährlich
04.11.2023, 17:25 Uhr Artikel anhören
Reem Alabali-Radovan ist Bundesbeauftragte für Antirassismus und Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die hitzige Diskussion über Migration ist in vollem Gange. Während sich viele einen strengeren Umgang mit Migranten wünschen, ruft die Integrationsbeauftragte dazu auf, verstärkt am Integrationskonzept zu arbeiten, anstatt harte Maßnahmen einzuführen.
Vor dem Bund-Länder-Spitzengespräch zur Migrationspolitik am Montag hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, die "aufgeheizte Debatte" zu dem Thema kritisiert. "Es schadet dem Zusammenhalt, wenn täglich die Migrationsfrage als Ursache für sämtliche Probleme in unserem Land herangezogen wird", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Unterdessen gab es neue Forderungen nach Leistungskürzungen für Geflüchtete.
Bundeskanzler Olaf Scholz wird mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer über Maßnahmen beraten, um die Zahl der nach Deutschland einreisenden Geflüchteten sowie Migrantinnen und Migranten zu verringern. Zudem geht es um die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern.
Die Runde müsse "tragfähige, dauerhafte Lösungen vereinbaren, die den Kommunen bei der Aufnahme von Schutzsuchenden helfen und den Dauerstreit befrieden", sagte dazu Alabali-Radovan. "Wir brauchen verlässliche Strukturen für die Flüchtlingsaufnahme und Integrationsmaßnahmen, die nicht immer hektisch hoch- und runtergefahren werden", forderte sie weiter. "Was uns jetzt nicht hilft, sind täglich neue aufgeladene Debatten über Scheinlösungen, Obergrenzen für Geflüchtete und Integrationsgrenzen", gab die Integrationsbeauftragte zu bedenken. Es müsse vielmehr wieder mehr darüber geredet werden, "was wir für eine gelungene Integration brauchen", verlangte die Politikerin.
Abschiebungen, Grenzkontrollen und Leistungseinschränkungen
In den Beratungen geht es neben der Finanzverteilung unter anderem um beschleunigte Abschiebungen von Ausreisepflichtigen, schärfere Grenzkontrollen sowie Leistungseinschränkungen für Asylbewerber. Geldzahlungen sollen durch Sachleistungen in Form einer Bezahlkarte ersetzt werden, Details der Umsetzung sind aber noch unklar.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr bekräftigte in der "Augsburger Allgemeinen" seine Forderung, Leistungen für ausreisepflichtige Migrantinnen und Migranten zu kürzen. Wenn diese nicht abgeschoben werden könnten und daher vorläufig in Deutschland blieben, dürfe dies "nicht mit zusätzlichen Leistungen des Sozialstaats honoriert werden". Dürr drang auch erneut auf die Umstellung auf Bezahlkarten. Dies solle unter anderem Zahlungen von Geflüchteten an Schleuser sowie Geldtransfers in die Heimatländer verhindern.
"Wir wollen sicherstellen, dass die Gelder, die Menschen, die zu uns kommen, bekommen, wirklich für ihre eigene Existenz genutzt werden, und dass nicht Gelder zurück überwiesen werden in Heimatländer", sagte auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Die FDP-Forderung nach Kürzungen von Sozialleistungen lehnte Schwesig im Deutschlandfunk aber ab. Mit Blick auf das Gespräch am Montag bekräftigte sie die Länder-Forderung, wonach der Bund für jeden Geflüchteten eine Pauschale von 10.500 Euro übernehmen solle.
"Überbietungswettbewerb um die vermeintlich härteste Forderung"
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst forderte "eine klare Einigkeit, dass irreguläre Migration nach Deutschland beendet werden muss". In der "Welt am Sonntag" drang er auf Abkommen mit Herkunftsländern, damit abgewiesene Asylbewerberinnen und -bewerber wieder dorthin zurückgeschickt werden könnten, und auf mehr beschleunigte Verfahren für Geflüchtete aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten. Zudem verlangte auch Wüst mehr Geld vom Bund für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten.
Vor einem "Überbietungswettbewerb um die vermeintlich härteste Forderung" warnte Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. "Stattdessen gilt es das voranzutreiben, was den Kommunen vor Ort tatsächlich hilft", sagte sie dem "Spiegel".
Quelle: ntv.de, mes/AFP