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Gehen weiterhin Waffen an Kiew? Internationale Gemeinschaft geschockt über Polens Blockade

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Eine Geste aus der Vergangenheit: Polens Regierungschef Morawiecki und der ukrainische Präsident Selenskyj umarmen einander im Februar.

Eine Geste aus der Vergangenheit: Polens Regierungschef Morawiecki und der ukrainische Präsident Selenskyj umarmen einander im Februar.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Zerbricht über den Getreide-Streit die Waffenallianz zwischen Warschau und Kiew? Aussagen des polnischen Regierungschefs Morawiecki legen dies nahe, auch wenn sein Sprecher ein wenig zurückrudert. Dass überhaupt ein Stopp weiterer Waffenlieferungen angedeutet wird, macht viele fassungslos.

Ausgerechnet Polen: Das EU-Land, das bisher als engster Verbündeter der Ukraine galt, hat Zweifel an seiner fortgesetzten Militärhilfe für Kiew gesät. Von Irritation bis Entsetzen reichen die Reaktionen in Berlin und Brüssel. Auch wenn die Regierung in Warschau ihre Äußerungen relativiert hat, bleiben Fragezeichen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS-Partei hatte einem Fernsehsender gesagt: "Wir geben keine Waffen mehr an die Ukraine weiter, weil wir uns selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten."

Das klang nach einem plötzlichen Aus der polnischen Solidarität mit Kiew, kurz vor der Parlamentswahl in Polen am 15. Oktober. Und das ausgerechnet von Warschau, das Deutschland wegen seiner Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen "Egoismus" und "Selbstbezogenheit" vorgeworfen hatte.

Die Reaktionen aus Berlin ließen nicht auf sich warten: "Kein Wahlkampf ist es wert, die Ukraine schäbig im Stich zu lassen", mahnte der SPD-Politiker Michael Roth, der den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags leitet, im Onlinedienst X, ehemals Twitter.

Pistorius will vermitteln

"Dass ausgerechnet Polen jetzt von der militärischen Unterstützung der Ukraine abrückt und dies auf diese Weise kommuniziert, macht mich ehrlich gesagt fassungslos", erklärte der außenpolitische Sprecher der FDP, Ulrich Lechte. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kündigte ein klärendes Gespräch mit Warschau an.

Kurz danach relativierte ein polnischer Regierungssprecher die Äußerungen Morawieckis: Polen garantiere "Lieferungen von Munition und Waffen, die zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen wurden". Bisher hat das EU- und NATO-Land offiziell fast 300 Kampfpanzer größtenteils sowjetischer Bauart an Kiew weitergegeben sowie 14 MiG-29-Kampfflugzeuge.

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kamen die Störgeräusche aus Warschau jedenfalls zur Unzeit: Er beriet in Washington über Waffenhilfe für die ukrainische Gegenoffensive. Die Gespräche könnten für die Ukraine überlebenswichtig sein. Denn nicht nur in den Vereinigten Staaten macht sich "war fatigue" breit, Kriegsmüdigkeit.

Biden setzt Republikaner unter Druck

"Russland glaubt, dass die Welt ermattet und es die Ukraine dann ohne Folgen vernichten kann", hatte US-Präsident Joe Biden am Dienstag bei der UN-Generaldebatte gewarnt. Dies wurde auch als Appell an die US-Republikaner mit ihrem möglichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gewertet, von denen viele die Milliarden-Hilfen für die Ukraine in Frage stellen.

Auch in der EU wächst die Angst vor Kriegsverdruss, vor allem im Baltikum. "Bis die Ukraine gesiegt hat, ist niemand sicher", warnte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis in einem Interview mit dem US-Sender CNN.

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Brüssel zeigte sich angesichts der polnischen Volte um Schadensbegrenzung bemüht. Die europäische Haltung sei "stabil und unverändert", versicherte Peter Stano, Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Für die zivile wie die Militärhilfe gelte: Kiew werde "so lange wie nötig" unterstützt. Was das konkret heißt, ließ er offen.

Auch bei der NATO gebe es keine "dramatische Veränderung" in ihrer Haltung zur Ukraine, betonte eine hochrangige US-Regierungsvertreterin in Brüssel. Vielmehr lägen die Nerven im Getreidestreit zwischen der Ukraine und Polen blank. Denn um seine Bauern zu schützen, blockiert Warschau die Einfuhr billigen ukrainischen Getreides. Sowohl bei Selenskyj als auch bei Morawiecki habe es deshalb zuletzt "Momente der Anspannung" und der "Frustration" gegeben, sagte die US-Vertreterin.

Der Ukraine-Berichterstatter im Europaparlament, CDU-Politiker Michael Gahler, setzt auf ein Ende des Getöses nach der Wahl in Polen Mitte Oktober. Schließlich sei es "Kern des polnischen wie auch des gesamteuropäischen Sicherheitsinteresses", die Ukraine gegen Russland zu unterstützen.

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP

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