"Streit ist vorprogrammiert" Interview zur Grünen-Kinderpolitik
14.03.2002, 15:16 UhrAm Wochenende wollen die Grünen auf ihrem Programmparteitag in Berlin ein neues Grundsatzprogramm verabschieden. Es soll nach 22 Jahren das Alte ablösen. Eines der zwölf im Grundsatzprogramm genannten Schlüsselprojekte ist die "Kinderfreundliche Gesellschaft". Die einstige Protestpartei entdeckt die Familie als Wahlkampfschlager. n-tv.de sprach darüber mit dem Mainzer Parteienforscher Prof. Jürgen Falter.
n-tv.de: Die Grünen haben die Familie mit Kind entdeckt. Kostenlose Kinderbetreuung, Ganztagsschulen - das sind nur einige der Angebote. Werden die kinderpolitischen Forderungen in Berlin nur auf Zustimmung stoßen?
Falter: Nein, da ist Streit natürlich vorprogrammiert, wenn es um die Kosten geht. Da wird es den einen oder anderen geben, der sagt, das ist nicht finanzierbar. Und bei den Protagonisten der Single-Gesellschaft stoßen die Forderungen auf schieres Unverständnis. Ich weiß, dass die ältere Gruppe der Grünen für den Wertewandel kein Verständnis aufbringt.
n-tv.de: Wird sich die Besetzung dieses Politikfeldes bei Wahlen bezahlt machen?
Falter: Ob das etwas bringt, weiß ich nicht. Die Grünen sind ja eine Partei, deren Wähler im Schnitt, sagen wir mal, weniger Kinder haben als die der CSU. Bei den 50-jährigen Grünen kommt man damit kaum noch an. Aber die Kinder- und Familienpolitik wird wegen der demografischen Entwicklung, also des Bevölkerungsrückgangs, eine große Rolle spielen. Die Gruppe der jüngeren Grünen versucht also ein Zukunftsthema zu besetzen, und sie versucht in neue Wählerschichten vorzustoßen. Wenn man sich den Wertewandel in der jüngeren Generation anschaut, ist dieser Ansatz auch nicht unrealistisch.
n-tv.de: Wer wird sich bei den Grünen durchsetzen, die Haushaltspolitiker oder die "Kinderfreunde"?
Falter: Da muss man abwarten, wer die stärkeren Bataillone hat. Die Kinderpolitiker haben ganz geschickt agiert und besitzen eine realistische Chance, ihre Vorstellungen durchzukriegen. Sie haben, was schwierig war, auch den Chef der Bundestagsfraktion, Rezzo Schlauch, auf ihre Seite bekommen. Wahrscheinlich mit dem Argument, mehr für Kinder zu fordern, schadet nichts. Damit kann man eher Stimmen gewinnen, aber keine verlieren.
(Das Gespräch führte Robert Mosberg)
Quelle: ntv.de