Politik

"Blockieren lohnt sich" Irland-Schacher geht auf

Mit weitgehenden Zugeständnissen an die Iren soll der EU-Reformvertrag von Lissabon gerettet werden. Die Staats- und Regierungschefs der EU akzeptierten in Brüssel den Vorschlag von EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy, dass auch künftig jedes EU-Mitglied einen Kommissar nach Brüssel entsendet. Diplomaten arbeiteten am Abend noch an Einzelheiten der Grundsatzeinigung.

Das war eine zentrale Forderung der Iren, um vor Ende 2009 ein zweites Referendum über den Lissabon-Vertrag abzuhalten. Der neue Vertrag, der die EU handlungsfähiger macht, soll dann 2010 in Kraft treten. Der Kompromiss war der erste Erfolg des französischen Staatspräsidenten Sarkozy bei dem zweitägigen Mammuttreffen.

Deutschland und die meisten anderen EU-Länder hatten bislang die Verkleinerung der EU-Kommission bei weiteren Beitritten als zentral angesehen, damit das Spitzengremium entscheidungsfähig bleibt.

Irland setzt "Klarstellungen" durch

Irland Regierungschef Brian Cowen sagte, er könne im Herbst 2009 die Bürger noch einmal an die Wahlurnen bitten, sofern die anderen EU-Regierungen vier "Klarstellungen" zum "Lissabon-Vertrag" zustimmten. Dublin bekam daraufhin die Zusicherung, dass der neue Vertrag die irische Neutralitätspolitik nicht berührt. Zudem wird die EU die Steuerpolitik Irlands nicht übernehmen und nicht entscheiden, ob in Irland die Abtreibung erlaubt sein soll. Der vierte Punkt war die Garantie, dass Irland auf Dauer einen Sitz in der EU-Kommission bekommt.

Die Iren hatten Mitte Juni den Vertrag abgelehnt und damit die EU in eine schwere Krise gestürzt. Sollte das zweite Referendum im Oktober 2009 stattfinden, müsste die Wahl zum Europaparlament im Juni noch nach den bisherigen Regeln des Nizza-Vertrags ablaufen.

Der Kompromiss sieht auch vor, dass der nächste Kommissionspräsident unverzüglich nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 ernannt werden soll. Gleichzeitig soll der "Prozess der Ernennung der künftigen Kommission" eingeleitet werden. Mit dieser Formulierung wird die Möglichkeit eröffnet, dass die Kommissare der nächsten EU-Kommission erst 2010 ernannt werden können. Dann würde bereits nach dem derzeitigen Fahrplan der Lissabon-Vertrag gelten.

Polen sorgt für Irritation

Der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski bekräftigte seine Haltung, den neuen EU-Vertrag erst zu unterschreiben, wenn die Iren ihn ratifiziert haben. Diese Position stieß auf erheblichen Widerspruch. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering sagte: "Polen hat den Lissabon-Vertrag unterschrieben. Es ist logisch, dass der Präsident ihn unterschreibt."

"Blockieren lohnt sich"

Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im EU-Parlament, Jo Leinen (SPD), wertete das Vorhaben, jedem EU-Land einen Kommissarposten zu garantieren, als "Rückschritt für die Reform der Kommission". Irland zeige: "Blockieren lohnt sich in der EU", sagte Leinen. Die Posten-Garantie würde das Verhältnis der EU-Staaten aus dem Gleichgewicht bringen. Das werde man spätestens sehen, wenn alle sieben Nachfolgestaaten Jugoslawiens EU-Mitglied würden und ihren Kommissar bekämen. "Der Damm ist gebrochen", sagte Leinen. "Das bekommt man nicht mehr weg." Die EU müsse neue Verfahren zur Ratifizierung von Verträgen finden, um Blockaden durch ein Veto eines Landes künftig zu verhindern.

Quelle: ntv.de

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