Politik

Gasfeld nicht vollständig befreit Islamisten verschanzen sich

Ein Satellitenbild zeigt die Anlage, auf der die Geiseln festgehalten werden.

Ein Satellitenbild zeigt die Anlage, auf der die Geiseln festgehalten werden.

(Foto: DigitalGlobe)

Entgegen früheren Angaben ist die Geiselnahme auf einem algerischen Gasfeld noch nicht beendet. Nach der Befreiungsaktion des algerischen Militärs, die viele Geiseln und Geiselnehmer das Leben kostet, verschanzen sich die Islamisten auf dem Gelände. Sie sollen noch mehrere Geiseln in ihrer Gewalt haben. Der britische Premier Cameron verschiebt deshalb seine Rede zur EU.

Die algerische Armee hat bei ihrem Einsatz gegen islamistische Geiselnehmer auf einem Gasfeld offenbar nur einen Teil der Anlage unter ihre Kontrolle gebracht. Lediglich der Abschnitt, in dem sich Wohngebäude für Mitarbeiter befänden, sei gesichert worden, berichtete die algerische Nachrichtenagentur APS unter Berufung auf örtliche Behörden. Die Fabrikanlagen seien weiter in der Hand der Geiselnehmer.

Die Islamisten halten offenbar noch einen Teil des Gasfelds.

Die Islamisten halten offenbar noch einen Teil des Gasfelds.

(Foto: dpa)

APS hatte zuvor das Ende des Einsatzes vermeldet, ohne Angaben über Tote oder Verletzte zu machen. Dem widersprach Informationsminister Mohamed Said Belaid im staatlichen Fernsehen. Er bestätigte, dass es Opfer gegeben habe: "Unglücklicherweise" seien einige Tote und Verwundete zu beklagen, es sei aber auch eine große Zahl von Terroristen "neutralisiert" worden.

Islamisten einer Gruppe namens "Unterzeichner für Blut" hatten das Gasfeld im Osten  Algeriens etwa 1300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Algier am Mittwoch unter ihre Kontrolle gebracht. Die algerische Regierung machte die Organisation Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) für die Tat verantwortlich. "Nach allen uns vorliegenden Informationen" sei "die Terroristengruppe" aus Libyen über die Grenze gekommen, zitierte die algerische Tageszeitung "Echorouk" Innenminister Dahou Ould Kabila. Nach eigenen Angaben nahmen die Islamisten hunderte algerische Mitarbeiter und etwa 40 Ausländer, darunter Briten, Norweger, US-Bürger und Franzosen, als Geiseln. Deutsche waren nach Angaben der Bundesregierung nicht betroffen. Die Islamisten forderten ein Ende des französischen Militäreinsatzes im Nachbarland Mali.

Der britische Premierminister David Cameron sagte derweil wegen der Krise eine lang erwartete Rede zur EU ab. Cameron warnte seine Landsleute, sie müssten sich auf "schlechte Nachrichten" einstellen. Die Lage auf der Gasanlage sei "sehr schlecht" und "sehr gefährlich", mindestens ein Brite sei getötet worden, zwei Schotten sollen entkommen sein. Über seinen Sprecher erklärte er, er wäre gern im Vorfeld über die Militäraktion informiert worden. Zudem gab er bekannt, dass er seine lang erwartete Rede am Freitag in Amsterdam zum Verhältnis seines Landes zur EU wegen der Krise auf unbestimmte Zeit verschoben habe.

Sieben Geiseln verbleiben

Die algerische Armee ging mit Boden- und Luftstreitkräften gegen die Geiselnehmer vor. Nach Regierungsangaben wurden mehrere Geiseln befreit, jedoch habe es auch Tote und Verletzte gegeben. Die Islamisten gaben an, bei dem Militäreinsatz seien 34 Geiseln und 15 Kidnapper getötet worden, und drohten mit der Tötung von sieben verbliebenen Geiseln. Algerischen Medien zufolge gelang 15 Ausländern und 30 Algeriern vor dem Angriff die Flucht. Später seien 600 weitere Geiseln befreit worden.

Informationsminister Said rechtfertigte den Einsatz, der offenbar ohne Rücksprache mit westlichen Regierungen startete. Die Regierung habe zunächst auf Verhandlungen für eine friedliche Lösung gesetzt, sagte Said. Die Intervention sei aber notwendig geworden, da die "schwer bewaffneten" Geiselnehmer mit ihren ausländischen Geiseln ins Ausland fliehen wollten, um sich ihrer anschließend als Erpressungsmittel zu bedienen.

Frankreichs Präsident François Hollande bezeichnete die Lage vor Ort als "dramatisch". Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg sagte, sie hätten keine Neuigkeiten von neun norwegischen Mitarbeitern von Statoil auf der Anlage. Auch die USA forderten "Klarheit" von Algier. Aus Tokio hieß es, man sei nicht über die Militäroperation informiert worden. Die Operation sei bedauerlich, sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga. Deutsche waren laut Bundesaußenminister Guido Westerwelle nicht betroffen. Gleichwohl zeigte er sich "tief betroffen" über den Tod der Geiseln. "Diese Terroristen, das sind keine Freiheitskämpfer. Das sind brutale Kriminelle, die auch vor der Ermordung von Unschuldigen keinen Halt machen", sagte er in Brüssel.

Gezielt Ausländer angegriffen

Die Geiselnehmer nahmen nach Angaben eines aus ihrer Gewalt entkommenen Augenzeugen gezielt ihre westlichen Gefangenen ins Visier und drohten mit deren Tötung. "Die Terroristen haben uns gleich von Anfang an gesagt, dass sie Muslimen nichts antun würden", sagte Abdelkader in einem Telefon-Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei ihnen nur um "Christen und Ungläubige" gegangen. "'Wir werden sie töten', sagten sie."

Er habe viel Glück gehabt, dass er gemeinsam mit zahlreichen der mehreren Hundert ursprünglich festgehaltenen Algerier habe entkommen können, sagte der 53-Jährige, der in dem Ort In Amenas nahe der Erdgasanlage wohnt und darum bat, seinen Nachnamen nicht zu erwähnen. "Ich bin immer noch außer Fassung und angespannt." Er fürchte, dass viele seiner ausländischen Kollegen ums Leben gekommen sein könnten und fügte hinzu, dass die Geiselnehmer den Komplex in der Wüste Algeriens gut zu kennen schienen. "So wie sie sich darin bewegten, das zeigte, dass sie wussten, wo sie lang mussten."

Die Angreifer hatten gesagt, mit ihrer Aktion ein Ende der französischen Militärintervention in Mali erzwingen zu wollen. Sicherheitsexperten vermuten jedoch, dass die Erstürmung der Anlage womöglich schon weit vor dem Beginn des französischen Einsatzes in Mali vor gut einer Woche geplant wurde. Allerdings könnten die Vorgänge in dem westafrikanischen Nachbarland ihrer Auffassung nach so etwas wie ein Startschuss gewesen sein, dass die Erstürmung in Algerien jetzt erfolgte.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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