Politik

EU dringt auf Waffenruhe Israel Gewehr bei Fuß

Nach den schweren Luftangriffen Israels im Gazastreifen mit mehr als 360 Todesopfern haben die EU-Außenminister Israel und die Hamas zu einem "sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand" aufgerufen. Die Vertreter der 27 Mitgliedstaaten einigten sich in Paris auf eine gemeinsame Erklärung, die zudem ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe fordert. Wegen fehlenden Zugangs für Helfer und Hilfsgüter seien tausende Zivilisten in einer "dramatischen Lage".

"Das Ergebnis ist ein wichtiges Signal europäischer Geschlossenheit", sagte Staatssekretär Günter Gloser, der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei dem Treffen vertreten hatte. Zunächst hatten die Außenminister nur einen zeitlich begrenzten, humanitären Waffenstillstand fordern wollen. Israel lehnte dies jedoch ab, um der Hamas "keine Ruhepause" zu gewähren.

Die Außenminister fordern zum einen Hamas auf, bedingungslos den Raketenbeschuss Israels einzustellen. Zum anderen appellieren sie an Israel, die Militäraktion zu beenden. Weiterhin sollen die Grenzposten wieder geöffnet werden. Die EU kündigte ihre Bereitschaft an, den Grenzübergang nach Ägypten in Rafah wieder mit Beobachtern zu besetzen. Schließlich sollten beide Seiten ihre Bemühungen um einen Friedensprozess im Sinne des Annapolis-Prozesses fortsetzen.

"Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Waffen endlich zum Schweigen zu bringen", sagte Gloser. Eine Lösung der Probleme sei nur im Rahmen eines tragfähigen politischen Prozesses möglich. Die gemeinsame Position der Europäer war auch von der Stellungnahme des Nahost-Quartetts aus UN, EU, USA und Russland beeinflusst worden. Diese Gruppe forderte nach einer Telefonkonferenz ebenfalls eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen.

Die französische EU-Ratspräsidentschaft hatte kurzfristig zu dem Treffen eingeladen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuvor telefonisch mit seinem ägyptischen Amtskollegen Husni Mubarak die Lage im Gazastreifen erörtert. Außerdem kündigte er an, er werde Israels Außenministerin Zipi Livni am Freitag in Paris empfangen. Bundesaußenminister Steinmeier hatte in Telefonaten mit dem israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak sowie Vertretern Ägyptens und Syriens Bedingungen für einen Waffenstillstand erörtert.

"Gegossenes Blei" läuft weiter

Israels Regierungschef Ehud Olmert lehnte auch eine offenbar von Frankreich vorgeschlagene 48-stündige Waffenruhe in dem Palästinensergebiet ab. Aus israelischen Sicherheitskreisen verlautete, der Vorschlag stamme von dem französischen Außenminister Bernard Kouchner und solle der radikal- islamischen Hamas eine Chance geben, die Raketenangriffe auf Israel einzustellen. Ein Sprecher Olmerts sagte, eine Waffenruhe wäre gegenwärtig ein "Fehler". Israel wolle die am Samstag begonnene Offensive "Gegossenes Blei" nicht beenden, bevor alle Ziele erreicht seien, betonte Sprecher Mark Regev.

Bush telefoniert mit Abbas

Der scheidende US-Präsident George W. Bush sprach nach US-Regierungsangaben mit dem im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas und dem dortigen Regierungschef Salam Fajad am Telefon über die Möglichkeit eines "tragfähigen Waffenstillstands". Das US-Außenministerium teilte mit, Chefdiplomatin Condoleezza Rice werde weiter eng mit den Kollegen im Nahost-Quartett und anderen politischen Führern zusammenarbeiten, um eine diplomatische Lösung des Konflikts herbeizuführen.

Truppen einmarschbereit

Unterdessen sind die israelischen Bodentruppen nach Angaben der Armee zum Einmarsch in den Gazastreifen bereit. "Die Bodentruppen sind bereit", sagte eine Armeesprecherin in Jerusalem. Die Soldaten hätten ihre Stellungen bezogen, die Möglichkeit einer Bodenoffensive bestehe. "Im Moment jedoch greifen wir ausschließlich aus der Luft oder vom Meer aus an", sagte die Sprecherin.

Israel hatte seine Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen am Samstag begonnen und reagierte damit auf den Raketenbeschuss durch die Hamas. Bisher starben bei der Militäroffensive mehr als 360 Menschen, unter ihnen mehr als 50 Frauen und Kinder; etwa 1700 Menschen wurden verletzt.

Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, die israelische Offensive befinde sich derzeit in "der ersten Phase". Das Sicherheitskabinett habe grünes Licht für mehrere noch folgende Phasen der Angriffe gegeben.

Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai sagte, die Streitkräfte seines Landes seien auf einen mehrere Wochen andauernden Kampf eingestellt. Die Hamas verfüge noch über hunderte Raketen, werde aber täglich schwächer. "Wir wollen einen grundlegenden Wandel der Sicherheitslage im Süden Israels erreichen", sagte Vilnai.

Angriffe gehen weiter

Die israelische Luftwaffe setzte ihre Angriffe am Dienstag fort. Kampfflugzeuge bombardierten nach Angaben von Augenzeugen in der Nähe des Übergangs Rafah zu Ägypten Tunnel, die von der Hamas zum Schmuggel von Waffen und Lebensmitteln genutzt werden sollen. Bereits in der Nacht waren mehrere Ministerien sowie Einrichtungen der Sicherheitskräfte angegriffen worden.

Der militärische Arm der Hamas, die Essedin-el-Kassam-Brigaden, drohten Israel mit Raketenangriffen, die noch weiter ins Landesinnere reichen würden. Die Hamas schoss nach Angaben der israelischen Polizei am Dienstag etwa 20 Raketen auf Israel. Dabei sei im südisraelischen Sderot ein Mensch verletzt worden. Seit Samstag wurden drei Zivilisten und ein Soldat durch die Angriffe getötet.

Quelle: ntv.de

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