Ägypten verhindert Einreise Israel hält an Blockade fest
24.01.2008, 11:57 UhrIsrael will auch nach dem Ansturm Hunderttausender Palästinenser auf grenznahe Geschäfte in Ägypten an der Wirtschaftsblockade des Gazastreifens festhalten. Das von der radikal-islamischen Hamas beherrschte Palästinensergebiet bleibe abgeriegelt, solange die Raketenangriffe auf Israel weitergingen, sagte Ministerpräsident Ehud Olmert.
Zugleich versicherte er erneut, dass Israel im Gazastreifen keine humanitäre Krise herbeiführen wolle. Allerdings könne niemand von Israel verlangen, dass die Bewohner im Gazastreifen ein "normales Leben" führten, während gleichzeitig palästinensische Raketen auf südisraelische Städte abgefeuert würden.
Israels stellvertretender Verteidigungsminister Matan Wilnai brachte sogar eine Trennung seines Landes vom Gazastreifen ins Gespräch. "Wenn der Gazastreifen nach der anderen Seite offen ist, haben wir nicht mehr die Verantwortung dafür", sagte Matan Wilnai. "Daher wollen wir uns davon abtrennen", fügte er hinzu. Die Abtrennung von Israel bedeutet nach Wilnais Worten, dass die Versorgung des Gebietes mit Strom, Wasser und Medikamenten aus Israel eingestellt werden soll. All dies könnte von anderen geliefert werden.
Zur Rückkehr gezwungen
Ägypten hat unterdessen begonnen, die Einreise weiterer Palästinenser mit Gewalt zu verhindern. Nach Augenzeugenberichten zwangen ägyptische Polizisten Palästinenser an der Grenze zur Rückkehr in ihre Heimat. Dabei hätten sie auch Schlagstöcke eingesetzt. Auch in der Städten und Dörfern der Sinai-Halbinsel hätten ägyptische Sicherheitskräfte Palästinenser eingekreist und zur Grenze zurückgebracht.
Am Vormittag stoppte die Polizei nach Angaben von Augenzeugen plötzlich alle Lastwagenfahrer, die Lebensmittel und Medikamente nach Al-Arisch und Rafah bringen wollten. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Palästinenser dürften nur noch bis Freitag in Ägypten bleiben. Die Polizei habe den Befehl erhalten, für ihre Rückkehr zu sorgen. Zuvor hatten unter anderem die USA und Israel die ägyptische Führung aufgefordert, die Lage an der Grenze zum Gazastreifen unter Kontrolle zu bringen.
Nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen hielten sich am Morgen noch etwa eine halbe Million Palästinenser auf der Sinai-Halbinsel auf. Augenzeugen in der Stadt Al-Arisch berichteten, die Palästinenser, die am Mittwoch durch Lücken in der Grenzbefestigungsanlage nach Ägypten gekommen waren, hätten bei Verwandten, in Moscheen, Ferienwohnungen und Teestuben übernachtet. Viele tausende Palästinenser waren allerdings nach ihren Einkäufen bereits freiwillig in den Gazastreifen zurückgekehrt.
Die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte die im Gazastreifen lebenden Palästinenser auf, den Grenzübergang Rafah sofort zu räumen.
Sicherheitsrat wieder ratlos
Der Weltsicherheitsrat konnte sich erneut nicht auf eine gemeinsame Reaktion zur Lage im Gazastreifen einigen. Auch am zweiten Tag ging das 15-köpfige Gremium ohne Ergebnis auseinander. Er will aber weiter dazu beraten.
Sowohl die palästinensische Autonomiebehörde als auch Hamas machten Israel für das Chaos verantwortlich. Die "inakzeptable Abriegelung" des Gazastreifens und der Druck auf die Bevölkerung hätten zu der Explosion geführt, sagte der Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh. Abbas habe Israel mehrfach gebeten, die Blockade für 1,5 Millionen Palästinenser aufzuheben und der Autonomiebehörde die Kontrolle der Grenzübergänge zu übergeben.
Die Hamas sprach von einer "natürlichen Reaktion" auf Abriegelung und Druck. Der Vorsitzende des Hamas-Politbüros, Chaled Meschaal, bot in Damaskus an, gemeinsam mit Ägypten und der Autonomiebehörde den Grenzübergang Rafah zu kontrollieren.
Zerbombt und niedergerissen
Am Mittwoch hatten militante Palästinenser Grenzbefestigungen zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zerbombt und niedergerissen. Daraufhin waren Hunderttausende Palästinenser ins Nachbarland geströmt und hatten sich dort mit Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgütern eingedeckt.
Nach UN-Angaben waren es rund 350.000 Grenzgänger, nach palästinensischen Schätzungen sogar etwa eine halbe Million.
Die israelische Regierung forderte von der Führung in Kairo Gegenmaßnahmen. "Wir erwarten, dass Ägypten dieses Problem löst", hieß es in einer Erklärung des israelischen Außenministeriums. Ägypten hatte die Grenze nach der blutigen Machtübernahme der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen im Juni 2007 geschlossen.
Quelle: ntv.de