Waffenruhe scheint zu halten Israel startet Verhaftungswelle
22.11.2012, 10:37 Uhr
Im Nahen Osten schweigen die Waffen. Nach rund einwöchigen Kämpfen halten sich sowohl die Hamas als auch Israel an den vereinbarten Frieden. Die Hamas will nun die Blockadepolitik Netanjahus brechen. Israel gibt sich wie die USA in dieser Frage allerdings noch bedeckt. Indessen zeigt Netanjahu im Wahlkampf weiter Härte gegenüber den Palästinensern.
Nach Beginn des Waffenstillstands mit der Hamas im Gazastreifen hat die israelische Armee in einer Verhaftungswelle im besetzten Westjordanland 55 Palästinenser festgenommen. Unter den mutmaßlichen Extremisten befänden sich auch führende Köpfe verschiedener Palästinenser-Fraktionen, teilte das Militär mit. Die Armee werde weiterhin alles daran setzen, um Angriffe von palästinensischen Terroristen auf israelische Städte zu verhindern. Hintergrund der Aktion seien "die jüngsten terroristischen und gewaltsamen Aktivitäten" im Westjordanland. Während der israelischen Militäroperation im Gazastreifen war es im Westjordanland zu gewalttätigen Protesten gekommen, bei denen zwei Palästinenser getötet wurden.
- Israel soll sämtliche Feindseligkeiten auf dem Gebiet des Gazastreifens,in dessen Luftraum und vor dessen Küste einstellen, von feindlichem Eindringen sowievon Angriffen auf einzelne Personen absehen.
- Alle palästinensischen Fraktionen sollen sämtliche Feindseligkeitenaus dem Gazastreifen heraus gegenüber Israel einstellen, einschließlich Raketenangriffenund sämtlichen Angriffen entlang der Grenze.
- Binnen 24 Stunden nach Beginn der Waffenruhe sollen Übergängegeöffnet werden und es soll dafür gesorgt werden, dass Personen sich freier bewegenund Waren leichter geliefert werden können. Die Bewegungsfreiheit der Bewohner sollnicht mehr eingeschränkt werden, Bewohner in Grenzgebieten sollen nicht mehr angegriffenwerden.
- Andere Angelegenheiten sollen bei Bedarf geklärt werden.
Umsetzung
- Vereinbarung des Zeitpunkts, wann die Waffenruhe in Kraft tretensoll.
- Ägypten soll Versicherungen aller Beteiligten erhalten, dasssie sich an das Vereinbarte halten.
- Alle Beteiligten sollen sich dazu verpflichten, sämtliche Handlungenzu unterlassen, die diese Vereinbarung verletzen. Im Fall von Auffälligkeiten sollÄgypten als Vermittler informiert werden, um diesen nachzugehen.
Die Waffenruhe zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas hält indessen bislang. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv sagte, seit Mitternacht habe es keine Raketenangriffe mehr auf israelische Städte gegeben. Auch Israels Luftwaffe habe keine Ziele im Gazastreifen angegriffen. Am Mittwochabend seien jedoch noch nach offiziellem Beginn der Waffenruhe fünf Raketen auf Israel abgefeuert worden. Die Schulen im Umkreis von bis zu 40 Kilometern Entfernung vom Gazastreifen blieben zunächst noch geschlossen. Die Armee rief die Bevölkerung dazu auf, weiterhin wachsam zu sein.
Nach acht Tagen schwerer Kämpfe hatten Israel und die militanten Palästinenser im Gazastreifen ein Ende der Raketenangriffe und Bombardements vereinbart. Das verkündete der ägyptische Außenminister Mohammed Kamel Amr am Abend in Kairo im Beisein von US-Außenministerin Hillary Clinton. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, er habe der Friedensmaßnahme auf Anraten von US-Präsident Barack Obama zugestimmt.
Die Hamas feierte die vorangegangenen Auseinandersetzungen um den Gazastreifen als Sieg. "Wir haben dem zionistischen Feind eine Lektion erteilt", sagte Hamas-Chef Ismail Hanija. Zudem forderte Hanija Israel auf, die Blockade des Gazastreifens aufzugeben. Nun müsse Israel endlich die Grenzen öffnen, um den Palästinensern im Gazastreifen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Außenministerin Clinton ging darauf nur indirekt ein. "In den kommenden Tagen werden wir daran arbeiten, die Gewalt in der Region zu beenden und eine Verbesserung der Lebensumstände im Gazastreifen sowie der Sicherheit Israels zu erreichen", sagte sie. Israel ist gegen ein Ende der Blockade, weil dann noch mehr Waffen in das Gebiet gelangen könnten. Aber nur Hoffnung auf einen eigenen Palästinenserstaat und ein Ende der Armut könnten Israel den ersehnten langfristigen Frieden bringen.
Die Hamas teilte allerdings mit, es sei auch schon die Öffnung der Grenzübergänge für Personen und Waren vereinbart worden. Diese solle 24 Stunden nach Beginn des Waffenstillstands in Kraft treten. Wörtlich heißt es in der Erklärung: Beide Seiten sagen die "Öffnung der Grenzübergänge und die Ermöglichung des ungehinderten Übergangs von Personen und Waren" zu. In diesem Punkt dürfte es noch schwierige Verhandlungen geben. Ganz zu schweigen von Verhandlungen über einen eigenen Palästinenserstaat, die seit Jahren auf Eis liegen.
Deutschland sicherte der Bevölkerung des Gazastreifen zur Unterstützung der Waffenruhe unterdessen 1,5 Millionen Euro mehr Hilfszahlungen zu. Insgesamt summiert sich die humanitäre Hilfe aus Deutschland damit auf 7,3 Millionen Euro.
Im Gazastreifen feierten Tausende Menschen das Ende der israelischen Bombardierungen. Von den Minaretten der Moscheen wurden Siegesbotschaften verkündet. Bewaffnete feuerten Freudenschüsse in den Nachthimmel. Insgesamt waren bei den Auseinandersetzungen seit Mittwoch vergangener Woche 162 Palästinenser und 5 Israelis getötet worden.
Wahlkampf in Israel beginnt
Auch Israel fühlt sich als Sieger. Nach den Worten von Verteidigungsminister Ehud Barak wurden bei dem Militäreinsatz alle Ziele erreicht. Barak gab an, das Raketenabwehrsystem "Iron Dome" habe 85 Prozent der Raketen aus dem Gazastreifen abgefangen. Israel sei mit der Absicht in den Kampf gegangen, der militanten Palästinenserorganisation einen harten Schlag zu versetzen und die Angriffe auf israelische Grenzorte zu unterbinden. Nach dem Anschlag auf einen Bus in Tel Aviv hatte es zunächst nicht nach einer bevorstehenden Einigung ausgesehen. Bei dem Attentat waren 20 Menschen verletzt worden.
Netanjahu sagte in einer ersten Stellungnahme, er wolle der Waffenruhe eine Chance geben. Bei einer Pressekonferenz in Jerusalem drohte der Regierungschef am Mittwochabend gleichzeitig, eine Bodenoffensive im Gazastreifen könnte in Zukunft durchaus noch notwendig werden. Gemeinsam mit den USA wolle man entschieden gegen Waffenschmuggel aus dem Iran in den Gazastreifen vorgehen, betonte er. "Israel kann nicht untätig dasitzen, während Hamas sich aufrüstet." Bei einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama habe er "dessen Empfehlung angenommen, dem ägyptischen Vorschlag über eine Waffenruhe zuzustimmen".
"Die Militäroperation ist abgeschlossen, der Wahlkampf hat begonnen", kommentierte die Zeitung "Jerusalem Post" die Einigung. Netanjahu will nach Einschätzung von Kommentatoren aus einer Position der Stärke in die Parlamentswahl im Januar 2013 gehen.
Ban legt traurige Bilanz vor
Das vorläufige Ende der Gewalt wurde auch international mit Erleichterung aufgenommen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, er hoffe, dass beide Seiten nun auch die noch offenen Fragen für einen dauerhaften Waffenstillstand klären würden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, alle Seiten seien nun gefragt, aus der Feuerpause einen stabilen Waffenstillstand zu machen.
Der UN-Sicherheitsrat forderte Israel und die Hamas zur Einhaltung der Waffenruhe auf. Beide Seiten sollten die Vereinbarung ernsthaft umsetzen, erklärte das 15-köpfige Gremium. Zugleich rief der Rat die internationale Gemeinschaft dazu auf, Nothilfe wie Lebensmittel für die Palästinenser im Gazastreifen zur Verfügung zu stellen.
Nach Informationen von Ban Ki Moon sind 139 Palästinenser getötet und mehr als 900 verletzt worden. Zudem seien rund 10.000 Menschen in Gaza aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben worden, sie hielten sich in notdürftigen Unterkünften wie Schulen auf. Vier israelische Zivilisten seien durch palästinensische Raketen ums Leben gekommen und 219 verletzt worden. Außerdem sei ein israelischer Soldat ums Leben gekommen und 16 hätten Verletzungen erlitten. 1456 Raketen seien aus Gaza nach Israel abgeschossen worden. Israel habe 1450 Ziele in Gaza angegriffen.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP