Politik

Unruhen in Ägypten Ist der Frieden mit Israel in Gefahr?

Israel sorgt sich seit Ausbruch der Unruhen in Ägypten um die Zukunft des Friedensvertrags von 1979. Doch hinter dem Abkommen stecken handfeste finanzielle Interessen. Experten glauben, dass auch die Muslimbruderschaft es nicht ohne weiteres aufkündigen würde.

Sperrzaun an der israelisch-ägyptischen Grenze: Angesichts der Unruhen in Ägypten stockt Israel Armee und Schutzpolizei entlang der Grenze auf.

Sperrzaun an der israelisch-ägyptischen Grenze: Angesichts der Unruhen in Ägypten stockt Israel Armee und Schutzpolizei entlang der Grenze auf.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die blutigen Unruhen in Ägypten haben in Israel alte Ängste vor einer weiteren feindlichen Front im Süden geweckt. Angesichts eines erwarteten Machtwechsels in dem Land am Nil herrscht Ungewissheit über die Zukunft des Friedensvertrags beider Länder von 1979. "Die ganz große Frage ist, wie das neue Ägypten aussehen wird, und wer die Führung übernimmt", meinte der israelische Politikexperte Uzi Eilam.

Doch nicht nur Israel hat viel zu verlieren, sondern auch Ägypten. Selbst wenn die Muslimbruderschaft an die Macht kommen sollte, könnte sie das Friedensabkommen nicht einfach aufkündigen, ohne ein Ende der umfangreichen US-Finanzhilfen und einen Boykott des Westens für das bevölkerungsreichste arabische Land zu riskieren. "Ich gehe davon aus, dass die Führung in Ägypten vernünftig bleibt", sagte Eilam.

Kein Land hat seit dem Zweiten Weltkrieg so viel Finanzhilfe von den USA erhalten wie Israel. Jährlich erhält der jüdische Staat fast drei Milliarden US-Dollar Unterstützung, nicht zuletzt, um seine militärische Überlegenheit gegenüber den arabischen Nachbarstaaten zu gewährleisten. Doch Ägypten folgt gleich an zweiter Stelle: Seit Abschluss des Friedensvertrags mit Israel vor gut drei Jahrzehnten zahlten die USA dem arabischen Land enorme Summen an Wirtschafts- und Militärhilfe, zuletzt jährlich fast zwei Milliarden US-Dollar. Die US-Regierung greift tief in die Tasche, weil Frieden und Stabilität im Nahen Osten ihren strategischen Interessen dienen.

Hoffnungsschimmer "Kalter Frieden"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch auch für Israel war der Frieden mit Ägypten in den letzten Jahrzehnten sehr bequem, auch wenn es nur ein "kalter Frieden" ohne eine echte Annäherung zwischen den Völkern blieb. "Junge Menschen müssen verstehen, dass Israel nur eine friedliche Grenze mit Ägypten und eine friedliche Grenze mit Jordanien hat", sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt im Parlament. Israel profitiere sehr davon, dass es diese Grenzen nicht verteidigen müsse. "Einige von uns erinnern sich noch daran, wie es war, als es keinen Frieden gab."

Israel und Ägypten hatten den Friedensvertrag am 26. März 1979 in Washington unterzeichnet, 16 Monate nach dem historischen Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat in Israel. Sadat, der den Vertrag mit dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin unterzeichnete, bezahlte den Friedensschluss zweieinhalb Jahre später mit seinem Leben. Sein Nachfolger Husni Mubarak setzte die Friedenspolitik Israel gegenüber konsequent fort. Es entsteht allerdings der Eindruck, dass viele Israelis erst seit Ausbruch der wütenden Proteste gegen Mubarak zu schätzen wissen, was sie an ihm und der Einhaltung des Vertrags hatten.

Israels erstes Friedensabkommen mit einem arabischen Land, abgeschlossen unter der Schirmherrschaft des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter, war als Basis für eine Lösung des gesamten Nahost-Konflikts gedacht. Seitdem ist Israel jedoch nur die Versöhnung mit einem einzigen weiteren Land gelungen, Jordanien. Auch die damals angestrebte Unabhängigkeit der Palästinenser steht noch aus.

Status quo der Veränderung

Die Demonstrationen in Ägyptens Hauptstadt Kairo halten an.

Die Demonstrationen in Ägyptens Hauptstadt Kairo halten an.

(Foto: picture alliance / dpa)

Israel hatte seine Truppen nach Unterzeichnung des Abkommens von dem 1967 eroberten Sinai abgezogen. Der Vertrag von 1979 legte unter anderem fest, dass Ägypten dort in einer Pufferzone nur Grenzschützer und Polizeikräfte einsetzen darf. Israels Armeespitze fürchtet nun, Ägypten könnte künftig im Hinblick auf Waffenschmuggel in den palästinensischen Gazastreifen nicht nur ein, sondern beide Augen zudrücken.

Sollte im extremsten Fall ein offen Israel-feindliches Regime an die Macht kommen, hätte Israel zusätzlich zu der gefährlichen Nordgrenze zum Libanon und Syrien auch eine mehr als 200 Kilometer lange Grenze mit Ägypten zu schützen. Erst im vergangenen Dezember hatte Israel begonnen, einen Sperrzaun entlang der Grenzlinie zu errichten, der vor allem Schmuggler und Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern fernhalten soll.

Die Entwicklungen in Ägypten sind allerdings nur ein Teil der politischen Umwälzungen in der ganzen arabischen Welt, von denen Israel sich bedroht fühlt, wie Eilam betonte. "Wir sehen einen Domino-Effekt, der in Tunesien begonnen hat, und dessen Ende noch gar nicht abzusehen ist", sagte er. "Wir haben zwar Grund zur Sorge, aber nicht zur Panik", meinte er abschließend.

Quelle: ntv.de, Sara Lemel, dpa

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