Nach Razzien gegen Ministersöhne und hohe Beamte Istanbuls Polizeichef verliert seinen Job
19.12.2013, 20:00 Uhr
Der ehemalige Polizeichef Çapkın (r.) beim Verlassen von Istanbuls Polizei-Hauptquartier.
(Foto: REUTERS)
Millionen Dollar in Schuhkartons, eine Banknoten-Zählmaschine bei einem Ministersohn und jetzt ein entlassener Polizeichef: Der Korruptionsskandal in der Türkei geht in die nächste Runde. Dabei tobt hinter den Kulissen ein ganz anderer Kampf.
Nachdem er Razzien wegen Korruptionsvorwürfen in der Türkei veranlasst hatte, ist der Istanbuler Polizeichef wegen "Überschreitung seiner Befugnisse" entlassen worden. Medienberichten zufolge bestätigte Hüseyin Çapkın seine Abberufung als Polizeichef der größten türkischen Stadt. Bereits am Vortag waren mehrere ranghohe Polizisten versetzt und ihrer Posten enthoben worden, darunter auch solche, die mit der Anti-Korruptions-Operation befasst gewesen waren. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, ihre Ermittlungen in der Sache trotzdem auszuweiten. Dabei geht es unter anderem um Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit illegal erteilten Baugenehmigungen und mögliche illegale Geschäfte mit dem Iran zur Umgehung internationaler Sanktionen.
Bei den Durchsuchungen in Istanbul und Ankara kam es am Dienstag zu Dutzenden Verhaftungen, darunter die Söhne von Innenminister Muammer Güler, Wirtschaftsminister Zafer Çağlayan und Umweltminister Erdoğan Bayraktar. Weitere prominente Festgenommene sind der Chef des staatlichen Kreditinstituts Halkbank, Süleyman Aslan, und der Bauunternehmer Ali Ağaoğlu, der laut "Forbes" zu den zehn reichsten Türken zählt.
Laut örtlicher Medien konnte die Polizei bei den Razzien potenziell belastende Funde sicherstellen. Darunter sollen große Mengen Bargeld gewesen sein. Die Zeitung "Today's Zaman" meldete unter Berufung auf Justizkreise, bei Bankmanager Aslan seien 4,5 Millionen US-Dollar (3,3 Millionen Euro) in Schuhkartons gefunden und beschlagnahmt worden. Sie veröffentlichte zudem ein Foto, auf dem neben Bargeldstapeln eine Banknoten-Zählmaschine abgebildet ist. Sie wurde dem Blatt zufolge beim Sohn des Innenministers entdeckt.
Machtkampf der früheren Weggefährten
Die Razzien werden in Berichten als ein Angriff der Bewegung des seit Ende der 90er Jahre im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen auf die Erdoğan-Regierung gewertet. Gülen wird großer Einfluss innerhalb der Polizei und Justiz in der Türkei nachgesagt. Zwischen den ehemaligen politischen Weggefährten eskaliert seit Wochen ein Konflikt, der das islamische Lager spaltet. Die zu Gülens Hizmet-Bewegung gehörende "Today's Zaman" berichtete, der Prediger weise jede Verantwortung für die Razzien zurück.
Erdoğan verurteilte währenddessen die jüngste "sehr dreckige Operation". Sie sei eine "politische Verschwörung" und habe dasselbe Ziel wie die landesweiten Proteste im Sommer, nämlich den Sturz seiner islamisch-konservativen Regierung. Den Verschwörern aus dem In- und Ausland gehe es lediglich darum, den wirtschaftlichen Aufstieg der Türkei zu unterminieren. Die größte Oppositionspartei Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) forderte indes den Rücktritt des Ministerpräsidenten.
Quelle: ntv.de, lou/dpa/rts/AFP