Birthler-Nachfolge Jahn wird Herr der Stasiakten
30.11.2010, 11:50 UhrDas Bundeskabinett schlägt den Journalisten und früheren DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn offiziell als neuen Chef der Stasi-Unterlagenbehörde vor. Jahn gehörte zur Opposition in der DDR, saß deshalb im Gefängnis und wurde schließlich ausgebürgert. Der Bundestag muss dem Vorschlag noch zustimmen.
Der Journalist und frühere DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn soll nach dem Willen der Bundesregierung neuer Chef der Stasi-Unterlagenbehörde werden. Nach dem offiziellen Beschluss des Kabinetts soll dem Bundestag ein entsprechender Vorschlag gemacht werden. Der 57-Jährige soll Nachfolger von Marianne Birthler werden. Mit Jahn sei es gelungen, eine überzeugende Persönlichkeit mit hohem Ansehen und breiter Akzeptanz für die Birthler-Nachfolge zu gewinnen, sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann von der CDU. Jahn habe sich mutig gegen das DDR-Unrecht gestellt. Bis heute trete er überzeugend gegen die Verharmlosung der SED-Diktatur ein.
Der aus Jena im heutigen Thüringen stammende Jahn engagierte sich in der DDR in Oppositionsgruppen seiner Heimatstadt. Mehrmals wurde er festgenommen. Wegen seines Protestes gegen die Ausbürgerung von Liedermacher Wolf Biermann wurde der Student der Wirtschaftswissenschaften 1977 exmatrikuliert. Jahn wurde 1983 gegen seinen Willen aus der DDR abgeschoben. Vom Westen aus unterstützte der Dissident weiter die Opposition und wurde einer der wichtigsten Kontaktstellen zwischen Bürgerrechtlern und West-Medien. Seit 1991 arbeitet Jahn als Redakteur für das politische Magazin "Kontraste". Bei dem RBB-Fernsehmagazin ist er seit 2006 stellvertretender Redaktionsleiter.
Debatte um Zukunft der Behörde
Marianne Birthler leitete die Behörde zehn Jahre lang. Sie muss nach zwei Amtszeiten ausscheiden. Das Stasi-Unterlagengesetz sieht eine Amtszeit von fünf Jahren vor, eine einmalige Wiederwahl war möglich. Jahn soll nach Birthler und dem ersten Chef Joachim Gauck dritter Leiter der Bundesbehörde mit derzeit rund 1600 Mitarbeitern werden. Neben der Berliner Zentrale gibt es in Ostdeutschland zwölf Außenstellen. Im Vorjahr gingen insgesamt mehr als 102.000 Anträge von Bürgern auf Einsicht in Akten ein, die die DDR-Staatssicherheit über sie angelegt hatte.
Birthler begrüßte den Vorschlag. Es sei gelungen, für dieses wichtige Amt jemanden zu nominieren, der über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg Akzeptanz und Unterstützung gewinnen könne. "Dies ist eine gute Voraussetzung dafür, die Aufarbeitung der SED- Diktatur auch künftig voranzubringen."
Die Zukunft der Behörde und der Stasi-Unterlagen, die sie verwaltet, ist derzeit in der Diskussion. Birthler hatte sich für einen Erhalt der speziellen Behörde bis 2019 - dem 30. Jahr des Mauerfalls - ausgesprochen. Über Forderungen, die Akten in das Bundesarchiv zu überführen, ist noch nicht entschieden. Kulturstaatsminister Neumann schlug den Fraktionschefs im Bundestag vor, Jahn zu einer Vorstellungsrunde einzuladen. Die Wahl im Bundestag soll Anfang kommenden Jahres erfolgen.
Quelle: ntv.de, dpa