Politik

"Profaschistische Kräfte haben die Macht übernommen" Janukowitsch will weitermachen

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Von einem Schuldeingeständnis ist bei einem TV-Auftritt des gestürzten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch keine Spur. Er sieht sich weiter als den rechtmäßigen Vertreter des ukrainischen Volkes und werde bald nach Kiew zurückkehren. Vom Westen sei er überrumpelt worden und das Blutbad auf dem Maidan hätten profaschistische Kräfte zu verantworten. Auf der Krim werde dies aber nicht gelingen.

Nach seiner Flucht aus der Ukraine hat der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch aus seinem russischen Exil einen Kampf um sein Land angekündigt. Er halte sich weiter für den rechtmäßigen Staatschef der Ukraine, sagte Janukowitsch in Rostow am Don. In seinem Land sei eine faschistische Minderheit an die Macht gekommen. "Ich halte die Oberste Rada für nicht legitim", sagte er über die Parlamentsarbeit.

Janukowitsch warf dem Westen eine "unverantwortliche Politik" in der früheren Sowjetrepublik vor. Der Westen habe der Opposition auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew nachgegeben, sagt er. Er habe auf den Anstand der westlichen Vermittler vertraut, als er das Abkommen mit der Opposition unterschrieben habe. Danach seien "Terror, Anarchie und Chaos" ausgebrochen. "Profaschistische" Kräfte hätten die Macht in der Ukraine übernommen. Er werde weiter für die Zukunft der Ukraine kämpfen.

Das Abkommen zwischen Janukowitsch und Regierungsgegnern war unter Vermittlung Deutschlands, Frankreichs und Polens zustande gekommen. Es sah unter anderem vorgezogene Wahlen in diesem Jahr und eine Beschneidung der Rechte des Staatsoberhauptes vor. Noch am selben Tag floh Janukowitsch aus Kiew. Er habe fliehen müsse, weil er bedroht worden sei, sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit einer Woche.

"Bin überrascht über Putins Ruhe"

Was jetzt auf der Krim passiere, sei eine natürliche Reaktion auf den Banditen-Umsturz, der in Kiew stattgefunden habe, sagt er. Die Demonstranten auf dem Maidan seien ein "Häuflein radikaler Kräfte, dem sich die Bewohner der Krim nicht unterwerfen wollen". Dort gebe es jetzt eine Selbstverteidigung. Die Krim-Bewohner schützten ihren Grund und Boden. Die Ukraine solle aber nicht geteilt werden.

Janukowitsch sagte, er werde Russland nicht um militärische Hilfe bitten. Er habe seit seiner Flucht nach Russland mit Präsident Wladimir Putin telefoniert, ihn aber noch nicht getroffen. Auf die Frage von Journalisten, welche Rolle Russland nun spielen solle, verweist Janukowitsch auf die historischen Verbindungen der beiden Staaten. Russland habe das Recht zu Handeln. "Ich kenne den Charakter von Putin und bin überrascht, dass er so lange ruhig geblieben ist."

In der Stadt Rostow am Don habe er "vorübergehendes Asyl bei einem Freund" gefunden, sagte Janukowitsch über seinen Aufenthaltsort. Sobald seine Sicherheit wieder garantiert werden könne, werde er nach Kiew zurückkehren.

Schweiz und Österreich frieren Konten ein

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft kündigte derweil ein Auslieferungsgesuch an Moskau an - wegen der vielen Toten bei den Protesten wird Janukowitsch wegen "Massenmordes" mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Wie die Schweizer Staatsanwaltschaft im Kanton Genf mitteilte, durchsuchte die Finanzpolizei Büroräume einer Firma, die Alexander Janukowitsch gehört. Die Schweiz sperrte zudem die Auslandskonten von 20 einstigen Amtsträgern in der Ukraine, darunter Konten von Janukowitsch, seinem Sohn und zahlreichen ehemaligen Ministern. Auf Bitten der Interimsregierung in Kiew fror auch Österreich die Guthaben von 18 Ukrainern ein.

Russische Intervention wird nicht erwartet

Der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, räumt den Erfolgssichten Janukowitschs wenig Raum ein. Im Gespräch mit n-tv sagte Teltschik, dass er keinen politischen Rückhalt habe. Schließlich habe ihn seine eigene Partei im Parlament im Stich gelassen und ihn mit den Oppositionsparteien abgesetzt. Seine ehemaligen Weggefährten hätten gemeinsam mit den anderen Parteien einen Übergangspräsidenten und einen Übergangsregierungschef gewählt. "Janukowitsch ist Geschichte", so Teltschik.

Der ehemalige politische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl glaubt nicht an eine russische Intervention. Er glaube eher, dass  "Putin deutlich machen wollte, dass er ein Mitspieler in der Ukraine ist und dass es ohne eine Zusammenarbeit mit ihm nicht geht. Und das ist aus meiner Sicht auch die große Schwäche der Europäischen Union gewesen, dass sie mit ihren Verhandlungen nicht von Anfang an darüber nachgedacht hat, in welche Weise man Russland hätte einbeziehen können." Jede mögliche Lösung müsse auch Vorteile für Russland bringen. "Das ist die Botschaft Russlands: Wir müssen dabei sein bei jeder Lösung, die für die Ukraine angestrebt wird."

Steinmeier, Fabius und Sikorski "zutiefst besorgt"

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens haben sich "zutiefst besorgt" über die Spannungen auf der ukrainischen Halbinsel Krim gezeigt. Es müsse "alles unternommen werden, um die Spannungen in den östlichen Regionen des Landes zu vermindern und einen friedlichen Dialog zwischen allen beteiligten Kräften zu fördern", hieß es in einer Erklärung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und seinen Kollegen Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski. Die "Souveränität und die territoriale Integrität" der Ukraine müssten gewahrt bleiben. "Wir rufen alle Akteure in der Ukraine dazu auf, Handlungen zu unterlassen, die diese gefährden könnten."

Russland hatte zuvor angekündigt, im Rahmen eines großen Manövers auch seine Kampfbomber-Flotte im Westen des Landes sowie seine Flotte in der Ost- und in der Barentssee zu testen. Dabei würden etwa Kampfflugzeuge an der Grenze zur Ukraine eingesetzt. Die dortigen Luftstreitkräfte sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Dauereinsatz. Dies habe nichts mit der Lage in der Ukraine zu tun, behauptete Moskau.

In der autonomen Teilrepublik Krim leben überwiegend Russischstämmige. Nach dem Umsturz in Kiew hatten sich dort die Spannungen zwischen prorussischen Gruppen und Unterstützern der neuen Regierung verschärft. Prorussische Milizen brachten am Donnerstag das Parlament und die Regionalregierung in der Regionalhauptstadt Simferopol unter ihre Kontrolle. In der Nacht zum Freitag wurde auch der Flughafen von Simferopol von Bewaffneten besetzt, er befand sich später nach Angaben der Sicherheitsdienste in Kiew aber wieder unter Kontrolle der ukrainischen Behörden.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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