Politik

"Höhere Notwendigkeit" Jaruzelski verteidigt Kriegsrecht

Der frühere polnische Staats- und Parteichef General Wojciech Jaruzelski hat vor Gericht die Verhängung des Kriegsrechts 1981 als Entscheidung aus "höherer Notwendigkeit" verteidigt. Diese "dramatisch schwierige" Maßnahme sei das kleinere Übel gewesen und habe das Land vor einer Katastrophe bewahrt, sagte der 85-Jährige vor dem Warschauer Bezirksgericht.

Dort muss er sich seit Mitte September verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, in den Jahren 1981-1982 "kommunistische Verbrechen" begangen und als Funktionär eine "kriminelle bewaffnete Vereinigung" geleitet zu haben. Ihm droht eine Gefängnisstrafe bis zu zehn Jahren.

Vier Stunden gesprochen

Die Vorwürfe seien "grundlos" und "auf politische Bestellung" erhoben worden, sagte der General. Er erkenne seine Schuld nicht an. Jaruzelski, der sich erstmals inhaltlich in dem Prozess äußerte und fast vier Stunden lang sprach, hatte bereits in der Vergangenheit immer wieder auf einen seinerzeit angeblich drohenden sowjetischen Einmarsch hingewiesen.

Dank des Kriegsrechts habe nach einigen Jahren unter veränderten internationalen Bedingungen der Aufbau der Demokratie beginnen können. Jaruzelski drückte gegenüber allen Opfern der Polizeirepressionen sein Bedauern aus und entschuldigte sich erneut bei ihnen. Er übernehme die Verantwortung, weil ein "Kommandeur für alle und alles" verantwortlich sei.

Ex-Innenminister fehlt vor Gericht

Jaruzelski soll am Montag seine Ausführungen vor Gericht fortsetzen. Zusammen mit ihm sind sechs weitere Partei- und Militärfunktionäre angeklagt, darunter Ex-Innenminister Czeslaw Kiszczak. Dieser erschien erneut nicht im Gerichtssaal - angeblich aus gesundheitlichen Gründen.

General Jaruzelski hatte in der Nacht zum 13. Dezember 1981 als Chef des Militärrates zur Nationalen Errettung (WRON) das Kriegsrecht verhängt, um die Gewerkschaft "Solidarnosc" zu zerschlagen. Mehrere tausend Regimekritiker wurden damals interniert, einige Dutzend Menschen kamen bei Polizei- und Militäraktionen ums Leben.

Ende der 1980er Jahre leitete der General Gespräche mit der Opposition ein und ermöglichte so die demokratischen Reformen in Polen. Im Juli 1989 wurde Jaruzelski zum Staatspräsidenten gewählt, trat aber bereits nach einem Jahr zurück und machte den Weg für die Präsidentschaft seines früheren Gegenspielers Lech Walesa frei.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen