Dokumente belasten Ex-Staatschef Jaruzelski war Stasi-IM
18.03.2010, 12:07 UhrDas polnische Institut des Nationalen Gedenkens veröffentlicht Aufklärungberichte des DDR-Ministeriums für Nationale Verteidigung, wonach Polens Staats- und Parteichef "Inoffizieller Mitarbeiter" der Stasi war. "Die Zusammenarbeit wurde als sehr aktiv und wertvoll eingeschätzt." Jaruzelski bezeichnet den Bericht als "Quatsch".

Jaruzelski hatte sich im September 2008 vor Gericht wegen der Verhängung des Kriegsrechts verteidigt. Er sprach von "höherer Notwendigkeit".
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Ein Dokument aus Stasi-Archiven belastet den ehemaligen Partei- und Staatschefs Polens, General Wojciech Jaruzelski, als "IM" der militärischen Spionageabwehr in der Stalin- Zeit. Jaruzelski sei 1952 als "Inoffizieller Mitarbeiter" angeworben worden, heißt es in einem Bericht der Aufklärung des DDR-Ministeriums für Nationale Verteidigung, den das polnische Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) veröffentlichte.
Gewonnen soll ihn für diese Aufgabe Czeslaw Kiszczak haben, damals Hauptmann der polnischen Spionageabwehr - später der engste Vertraute von Jaruzelski. Zur Zeit der angeblichen Anwerbung studierte Jaruzelski an der Militärakademie des Generalstabes in Warschau. "Die Zusammenarbeit wurde als sehr aktiv und wertvoll eingeschätzt", heißt es in dem zitierten Dokument aus dem Jahre 1986. Ein IPN-Mitarbeiter fand die Notiz im Kiszczak-Dossier der Stasi.
"Alles Quatsch"
Jaruzelski bezeichnete den Bericht als "Quatsch". Kiszczak sei damals als Chef der Spionageabwehr in der polnischen Kriegsmarine tätig gewesen und hätte ihn in Warschau nicht anwerben können, erläuterte der General. Auch Kiszczak bestritt die Anwerbung. Er habe 1952 keine Ahnung gehabt, dass jemand wie Jaruzelski überhaupt existiere. Erst Ende 1960er Jahren sollen sich beide kennengelernt haben.
Erste Hinweise über mögliche Agententätigkeit Jaruzelskis waren in polnischen Archiven bereits vor fünf Jahren gefunden worden. Die militärische Spionageabwehr (Informacja Wojskowa) wurde in der Stalin-Zeit zur Säuberung der Armee von patriotischen Offizieren eingesetzt. Nach Schauprozessen wurden in den 1950er Jahren mehrere hohe Militärs als Verräter zu Tode verurteilt.
In Polen wird seit Jahren eine heftige Debatte über Jaruzelskis Rolle in der polnischen Geschichte geführt. Ein Teil der Polen sieht in ihm einen treuen Genossen Moskaus, der in Polen die sowjetischen Interessen durchsetzte. Andere achten ihn als einen Patrioten, der während des Kalten Krieges eine Realpolitik betrieb und Ende der 1980er Jahre demokratische Reformen einleitete.
Quelle: ntv.de, dpa